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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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in einem abseits gelegenen Bauernhaus, dessen Bewohner auf dem Feld arbeiteten, Heu und verschimmeltes Brot mit steinharter Kruste, das köstlich schmeckte.
    Am nächsten Tag erreichte er Eisleben. Er zögerte lange, entschied sich dann aber, in die Stadt zu reiten. Es gelang ihm, Geld und Proviant zu stehlen; außerdem erfuhr er, dass Luther auf dem Weg nach Worms sei. Wulf hatte also richtig vermutet: Sein Plan war misslungen. Luthers Reise erhitzte die Gemüter der Menschen, in den Gassen und vor den Geschäften – überall wurde darüber gestritten.
    Wulf verließ die Stadt wieder und rastete in einem alten Steinbruch. Nachdem er seine Seele vor der Schwarzen Jungfrau ausgebreitet hatte, stand für ihn fest: Auch er würde nach Worms reisen. Die Niederlage, die er erlitten hatte, spornte ihn nur zusätzlich an. Es ging längst nicht mehr um Brangenberg. Nein, der Auftrag war zu seiner persönlichen Angelegenheit geworden, denn die Schwarze Jungfrau enthüllte ihm, was er längst ahnte: Luther war der Antichrist … und seine, Wulfs, Aufgabe bestand darin, ihn zu vernichten! Er blickte verträumt zum Himmel und in das frische Grün erster Blätter, in denen sich Sonnenstrahlen fingen, danach setzte er seinen Weg fort.
    Selbst nach Tagen blieb Wulf wachsam und hütete sich vor Verfolgern. Er wurde immer geschickter darin, sich und sein Pferd zu versorgen, ohne Städte zu betreten. Eisenach sah er nur von fern. Als Fulda vor ihm auftauchte, kam ihm eine Idee; er beschloss, sich der Stadt Worms in weitem Bogen zu nähern. Triftige Gründe sprachen dafür; der wichtigste war, dass er die Hilfe eines Menschen brauchte, auf den er sich verlassen konnte. Der kurze und direkte Weg nach Worms hätte ihn in südwestliche Richtung geführt, über Gelnhausen. Wulf aber ritt schnurgerade nach Westen. Er dankte der Jungfrau, dass er in jungen Jahren herumgekommen war und sich in dieser Gegend auskannte.
    Auch der Vogelsberg bewegte ihn zu keiner Richtungsänderung. Das dünn besiedelte Gebirge kam ihm sogar recht, obwohl er kaum noch an Verfolger glaubte. Wulf stieg häufig vom Pferd und kletterte über Geröll bergauf. Eichen und Buchen bedeckten die herbe Steinkulisse voller Basaltbrocken und -säulen. Immer wieder überquerte er kleine Flüsse, die das Gebirge durchschnitten, bis er schließlich in flachere Regionen kam. In einsam gelegenen Gehöften wurde er von gastfreundlichen Bewohnern mit Mahlzeiten versorgt, obwohl sie selbst nur das Nötigste zum Leben hatten. Er erzählte dann, er trage kein Geld bei sich, weil man ihn überfallen habe – was ja in gewisser Weise auch stimmte. Endlich erreichte er die Lahn und übernachtete im Schutz eines Weidengebüschs.
    Am nächsten Morgen brach Wulf früh auf. Er ritt flussabwärts und erreichte bald darauf die Mündung der Dill. Während er sich der Stadt Wetzlar näherte, wuchs seine Nervosität. Er erkannte die alte Lahnbrücke, die er vor mindestens zwanzig Jahren zuletzt passiert hatte. Im Stadtzentrum fielen ihm Veränderungen auf – es gab Gebäude, die er von früher nicht kannte. Die Michaeliskapelle, die Franziskanerkirche und der Dom sahen aber noch genau so aus, wie er sie in Erinnerung hatte; auf dem Marktplatz standen wie früher Einheimische und unterhielten sich.
    Das schmale Fachwerkhaus in der Gasse hinter dem Dom, vor dem Wulf mit seinem Pferd unschlüssig stehen blieb, machte einen ansehnlichen Eindruck. Es hatte ein neues Dach bekommen, besaß Glasfenster und war frisch gestrichen. Hinter der Glasscheibe im ersten Stock bemerkte er das Gesicht eines Kindes. Er winkte und lächelte ihm zu.
    Schließlich gab Wulf sich einen Ruck und pochte gegen das Holz. Das Kind öffnete ihm, ein Junge von vielleicht sechs Jahren, aber schon fragte eine Männerstimme im Hintergrund, wer da sei.
    »Weiß ich nicht, ein Fremder«, rief der Junge zurück und schaute Wulf fragend an. Er hatte blonde Haare, die ihm fast bis in die blaugrauen Augen fielen.
    »Wie heißt du?«, fragte Wulf.
    »Jonathan.«
    »Ich bin Wulf. Geh zu deinem Vater und sag ihm das.«
    Der Junge verschwand. »Wulf? Hast du Wulf gesagt?« Er hörte eilige Schritte, dann stand sein Bruder vor ihm. Sie starrten sich eine Weile ungläubig an, dann fielen sie sich in die Arme. Wulf spürte, dass sein Bruder Walther ihn aufmerksam musterte, und es kam ihm so vor, als stünde er nackt vor ihm. Er kniff die Augen zusammen und blinzelte. Zwei Frauen traten hinzu und ein weiteres Kind.
    Walther hatte sich kaum

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