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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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hinüberschauten; das sei der Teufel, der ihn abhalten wolle, das Evangelium zu predigen. Es wurde wieder ruhiger.
    Zögernd folgten die Menschen Luthers Aufforderung, sich zu setzen. Auch Jost nahm wieder auf der harten Holzbank Platz und atmete durch. Als Söldner kannte er die Magie, die eine starke, zum Führen geborene Persönlichkeit auf die Masse ausüben konnte. Durch sein entschiedenes Auftreten, seine Rhetorik, seine Gestik hatte Luther gerade eine Katastrophe verhindert. Er besaß die Fähigkeit, andere in seinen Bann zu ziehen. Wenn er will, dachte Jost, kann er das ganze Volk auf seine Seite bringen, und kein Fürst, kein Kaiser wird ihn aufhalten.
    Luther brachte seine Predigt mit wenigen Sätzen zum Abschluss und forderte nun alle auf, ruhig und geordnet hinauszugehen. Die Menschen gehorchten ihm, diszipliniert erhoben sie sich von ihren Sitzen und traten vor die Tür in einen milden Aprilabend.
    Viele Erfurter begleiteten Luthers Wagen bis vor die Tore der Stadt, als der Trupp am nächsten Morgen wieder aufbrach. Der Reichsherold, im Wappenrock mit Fahne, ritt ein Stück voraus. Er sympathisierte mit Luther, hatte ihn sogar mehrfach gewarnt, auch wenn sein Amt eigentlich verlangte, dass er die Interessen des Kaisers vertrat. Jost, sein Stellvertreter Helmut und die anderen Söldner hielten mit ihren Pferden Abstand zur kleinen Reisegruppe. Sie sollten unauffällig bleiben, hatte der Kurfürst verlangt, als er Jost beauftragte, Luther nach Worms zu begleiten. Der Reiseweg führte über die westlich gelegenen Städte Gotha und Eisenach. Auch dort drängte man Luther, in der Kirche zu predigen.
    Mitte April, etwa zwei Wochen später, trafen Luther und seine Begleiter in Frankfurt ein, wo sie in einem Gasthof am Kornmarkt abstiegen; von hier war es nicht mehr weit bis Worms. Der Herold – indem er seine offiziellen Pflichten nun endgültig über Bord warf – forderte Luther auf, Vernunft anzunehmen und umzukehren, ehe es zu spät sei. Luther lehnte dies ab.
    Bald erreichten sie den Rhein und machten in Oppenheim Station, wo Luthers Anhänger einen letzten Versuch wagten, ihn umzustimmen. Ein gewisser Martin Butzer redete eindringlich auf ihn ein. Dieser Butzer, so erfuhr Jost, stammte aus dem Elsass und war in jungen Jahren dem Dominikanerorden beigetreten. Er hatte in Heidelberg studiert, galt als Humanist und war ein Anhänger des berühmten Erasmus von Rotterdam. Butzer begeisterte sich für Luthers Lehren und war deshalb in Konflikt mit seinem Orden geraten; vor einem halben Jahr hatte er das Kloster verlassen und war auf die Ebernburg nahe Bad Kreuznach geflüchtet, die dem Ritter Franz von Sickingen gehörte.
    Butzer warnte: Wenn Luther erst einmal in Worms angekommen sei, könne ihm keiner mehr helfen. So sehr er auch seinen Stolz und Mut bewundere – aber Luther sei im Begriff, einen ganz entscheidenden Fehler zu begehen. Er schade sich selbst und seiner Sache. Franz von Sickingen lade ihn ein, auf die Ebernburg zu kommen. Luther könne dem Ritter, der ganz auf seiner Seite stehe, keine größere Freude bereiten. »Franz möchte zwischen dir und dem Kaiser vermitteln, ohne dass du dein Leben gefährdest. Du sollst Gelegenheit bekommen, dich auf seiner Burg mit dem Beichtvater des Kaisers zu beraten.«
    Jost hoffte auf Luthers Einwilligung. Franz von Sickingen hatte in Söldnerkreisen einen vorzüglichen Ruf; Jost kannte ihn persönlich. Auf der Ebernburg wäre Luther sicher.
    »Wenn der Beichtvater des Kaisers etwas mit mir besprechen möchte«, widersprach Luther, »so hat er in Worms dazu Gelegenheit.«
    Sie reisten weiter und erreichten Worms am 16. April 1521.

KAPITEL 22
    Wulf, in Kaufmannskleidern, verkaufte sein Pferd für zehn Gulden. Er überließ Walther einen Teil des Geldes; danach verabschiedete er sich von seinem Bruder und dessen Familie und setzte die Reise auf der Lahn fort. Schiffsleute nahmen ihn gegen Entlohnung an Bord, und er fuhr mit ihnen flussabwärts. So kam er schnell voran und machte Zeit gut, die er durch den Umweg verloren hatte. Im Bauch des Schiffes lagerten graue Steinquader, die man in Köln, dem Endziel der Reise, beim Bau einer Kirche verwenden würde, erzählte der Kapitän. Die Schiffer führten auch Stoffe und Hölzer an Bord und tausend kleine Dinge, mit denen sie Handel trieben. Sie machten in Weilburg Station, in Limburg und in Nassau; in jedem Hafen war der Kapitän bekannt wie ein bunter Hund. Viele Menschen warteten schon auf die Güter, mit denen er

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