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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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verändert und stellte dem Bruder nun seine Familie vor: Marianne, seine Ehefrau, Hiltraud, die Schwiegermutter, und die Söhne Jonathan und Heinrich. Sie versammelten sich alle in der Küche um einen großen Tisch und erzählten, was seit ihrem letzten Treffen alles geschehen war. Wulf ließ vieles beiseite. »Ich will auf den Reichstag und dort Geschäfte machen, aber man hat mich überfallen und ausgeraubt«, erzählte er.
    Sie tauschten Erinnerungen aus. Walthers Familie hörte interessiert zu, denn Wulf erzählte Schwänke, die seinen Bruder in ein günstiges Licht rückten. Die Kinder und die Frauen waren Wulf sympathisch. In der Familie, so spürte er, ging es harmonisch zu; er freute sich darüber.
    Als das Gespräch auf die Eltern, insbesondere auf die Mutter kam, merkte Wulf, dass ihm Tränen in die Augen traten. Er hatte nie einen Menschen so sehr geliebt wie seine Mutter. Nicht einmal Renata und Cornelia, die beiden Frauen, die er liebte, bevor sie ihn betrogen. Damals hatte er zum ersten Mal diese seltsamen Stimmen in seinem Kopf gehört.
    »Weißt du noch«, sagte Walther, »wie Mutter mit uns im Mai vor die Tore der Stadt ging (Wulf fuhr sich mit der Hand über die Augen, als sei er müde – natürlich erinnerte er sich!), wie es in allen Farben blühte und wir am Bach entlangliefen. Sie lehrte uns, Kräuter und Pflanzen mit einem Namen zu benennen. Erst wenn die Dinge einen Namen tragen«, Walther blickte seine Söhne an, »messen wir ihnen Bedeutung bei.«
    Die wenigen Worte seines Bruders stellten das Bild mit einer solchen Klarheit vor Wulfs inneres Auge wie seit vielen Jahren nicht. Eine Ewigkeit mochte es her sein, dass er sich seiner Mutter so nah gefühlt hatte. Und in diesem Moment schwirrten wieder die Stimmen in seinem Kopf durcheinander, diesmal von verschiedenen Personen. Er hörte gar nicht mehr, was die anderen redeten … diese Stimmen löschten alles um ihn her aus.
    Wulf presste die Handinnenflächen gegen die Schläfen, in denen es hämmerte, als müsse sein Schädel gleich in Stücke bersten. Verschwommen und wie aus großer Ferne sah er Walther aufspringen, auch die beiden Frauen eilten zu ihm. Wulf schrie vor Schmerzen; er warf den Kopf hin und her, presste ihn gegen die Tischplatte, barg ihn zwischen den Armen, ohne dass es die Schmerzen linderte; er warf sich auf den Boden und wälzte sich hin und her. Dann versank alles in Dunkelheit.
    Wie lange hatte er hier gelegen? Die Schreie von Kindern, die draußen spielten, lärmten in seinem Kopf. Von irgendwoher kam der Geruch von gebratenem Fleisch. Ihm war übel. Wenn er nicht aufpasste, musste er sich gleich übergeben.
    Es war längst dunkel, ehe Wulf sich in der Lage fühlte, aufzustehen. Sein Bruder erzählte, was geschehen war – auch ihm schien der Vorfall peinlich zu sein. Es war wohl besser, wenn er sich schnellstens auf den Weg machte. Aber vorher brauchte er Walthers Hilfe, denn deswegen war er schließlich gekommen.
    Er wolle weiter nach Worms, erklärte Wulf, aber er brauche neue Kleidung, sonst werde ihm niemand einen Auftrag erteilen.
    »Das erledige ich für dich«, versprach ihm Walther, der von Beruf Gewandschneider war und die Honoratioren der Stadt belieferte. Wulf beschrieb ihm, was er sich wünschte.
    »Es müsste aber schnell gehen, ich bin schon in Verzug.«
    »Morgen nehme ich Maß.«

KAPITEL 21
    Erfurt, im April 1521
    War das alte Gotteshaus dem Ansturm gewachsen? Das Gebälk ächzte und knarrte, ängstlich starrte Jost zur Empore, auf der sich Zuhörer drängten. Und wenn sie nun einstürzte? Josts Blick schweifte durch das Kirchenschiff: Hunderte von Menschen lauschten Luthers Predigt.
    »Ich möchte zu euch vom Glauben sprechen«, begann Luther. »Der Glaube vermag alle Dinge im Himmel, auf der Erde, in der Hölle und im Fegefeuer. Der Glaube ist das rechte priesterliche Amt, er macht uns alle, die wir uns hier versammelt haben, ohne Ansehen des Standes und der Bildung – zu Priestern.«
    Jost kannte die Predigt, er hatte sie schon einmal in Wittenberg gehört. Die Erfurter hatten Luther triumphal empfangen, und so war es selbst in den kleinsten Dörfern gewesen: Überall liefen die Menschen zusammen, um Luther zu sehen. Manchmal nahm die Verehrung groteske Züge an. Einmal warf sich gar eine Frau vor ihm nieder und berührte mit ihren Lippen den Saum seines Mantels, als sei er ein Wunderheiler oder der neue Messias.
    Die Erfurter betrachteten ihn als einen der Ihren, denn hier war er einst ins

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