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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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sie belieferte.
    In Lahnstein verließ Wulf das Schiff, das nun rheinabwärts fuhr, während er die Reise rheinaufwärts fortsetzen musste. Er trieb sich im Ort herum, bis er beim Zoll einen Kapitän fand, dem ein Nebenverdienst recht kam und der bereit war, ihn nach Worms mitzunehmen. Der Mann hatte ein glatt rasiertes Gesicht und eine lange, schiefe Nase; unter einer Wolljacke wölbte sich sein Bauch wie eine Halbkugel. Er redete gern, und Wulf, der viel Zeit allein verbracht hatte, fand ihn unterhaltsam.
    Sie lösten die Taue des Schiffes und legten frühmorgens ab, als sich kaum ein Streifen Helligkeit am Himmel zeigte. Wulf hatte auf dem Schiffsdeck übernachtet, in eine warme Decke gehüllt. Die Nächte waren noch kalt, und seine Nase fühlte sich an wie ein Stück Eis. Außer dem Kapitän, der Hans hieß, befanden sich zwei weitere Schiffer an Bord. Ein vierter Mann sorgte dafür, dass sie gegen die Strömung vorankamen, indem er auf einem steinigen Pfad am Ufer entlang zwei Pferde führte, welche mit Hilfe dicker Seile das Schiff zogen. Zunächst mühten sich die Pferde und sie kamen nur schleppend vom Fleck. Dann aber, schon am Vormittag, erhob sich ein günstiger Wind, über den sich die Schiffsleute freuten; er blies von Norden, von der See her, wie sie sagten, in das enge Rheintal hinein. Sogleich wurde ein Segel aufgespannt, um den Rückenwind zu nutzen.
    Das Schiff hatte Tuche und Stoffe aus Brabant geladen, größtenteils in Ballen verpackt, von allerbester Qualität, wie der Kapitän versicherte. Er sei zuversichtlich, seine gesamte Ware auf dem Reichstag abzusetzen. Zum Teil gebe es bereits Vorbestellungen, den Rest werde er so unter die Leute bringen. »Wo sich Fürsten und Bischöfe versammeln«, sagte Hans, »findet man immer Liebhaber feiner Stoffe.«
    Wulf sagte, er hoffe ebenfalls auf gute Geschäfte; er führe zwar keine Ware bei sich, nehme aber Aufträge für Armbrüste entgegen, deren Herstellung sein Beruf sei. Der Kapitän zeigte sich interessiert, und während sich ein langes Gespräch über Waffen entspann, kamen sie an Braubach vorbei. Auf der Spitze eines bewaldeten Hügels oberhalb des Ortes, von Bäumen umringt, lag die Marksburg, ein wehrhafter Bau mit zweigeschossigem Saalbau über der Mauer und einem hoch aufragenden Bergfried.
    »Dieser Wind!«, sagte der Kapitän und wandte seinen Kopf nach hinten, sodass seine langen, schwarzen Haare flatterten. »So etwas habe ich selten erlebt. Bald können wir auf die Pferde verzichten.«
    Schon auf der Lahn hatte Wulf begonnen, sich für seine neue Umgebung zu interessieren und sie genau zu beobachten. Das Schiff, auf dem er nun fuhr, war in einem besseren Zustand als das vorherige. Es hatte nicht den Charakter eines fahrenden Trödelladens, und auch die Ware war wertvoller. Den Rhein kannte Wulf von früher, er liebte das enge Flusstal und fand die Landschaft, die sanften, mit Eichen und Buchen bestandenen Hügel zu beiden Seiten, einfach großartig. War die Nacht noch sternenklar gewesen, so trieb nun der Wind viele Wolken vor sich her, in denen sich Sonnenlicht brach und manchmal wie ein Strahlenkranz aufleuchtete.
    »Wir wollen heute noch die Loreley erreichen, dort gibt es eine Zollstation und einen Gasthof; beide betreibt seit dem Tod ihres Mannes die dicke Johanna – eine gute, alte Freundin.« Hans lächelte vielsagend. »Dort wollen wir übernachten und morgen dann in aller Frühe aufbrechen.«
    »Mir soll’s recht sein«, sagte Wulf. »Je schneller wir vorankommen, desto besser.«
    »Dafür wird allein schon jener Geist dort oben sorgen, der so kräftig die Backen aufbläst«, sagte der Kapitän mit einem Blick zum Himmel.
    Sie hatten sich in Lahnstein mit Proviant eingedeckt. Wulf aß ein paar Scheiben Brot mit Käse und trank von einem seltsam sauer schmeckenden Apfelwein, den ihm der Kapitän aufdrängte, woraufhin es verdächtig in seinem Magen zu rumoren begann. Der Himmel hatte sich mittlerweile fast ganz mit Wolken bezogen, und der Wind blies noch kräftiger.
    »Holt das Segel ein!«, rief Hans seinen Leuten zu. »Es zieht uns ins tiefere Gewässer, sonst landen uns noch die Pferde im Wasser.« Er schüttelte den Kopf. »So ein verrücktes Wetter!«
    Die Wolken, vorher weiß, hatten die Farbe gewechselt in ein helles, manchmal dunkleres Grau. Etwa auf der Höhe von Boppard bemerkte Wulf Anzeichen von Unruhe bei den Schiffsleuten, auch die Pferde zeigten eine gewisse Reizbarkeit. Ab und an kam ihnen ein Schiff, das

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