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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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wenn Ihr Hafer und Stroh selbst kauft. Seid Ihr bereit, zwei Albus pro Nacht zu bezahlen?«
    Das war Wucher, aber Wulf ließ sich nichts anmerken. »Selbstverständlich. Für mein Pferd allerdings habe ich schon einen Stall gefunden.«
    »Dann sind wir uns einig. – Andreas, zeig ihm den Weg zum Speicher.«
    Mit einem letzten Blick auf das Bratenfleisch folgte Wulf dem Sohn des Hauses. Während sie die steile Treppe hinaufkletterten, verfolgte ihn der Duft mit ungebrochener Intensität. Sie erreichten das oberste Stockwerk, wo sich der Kornspeicher befand. Hier könne er sich irgendwo nach Belieben einen Platz suchen, sagte Andreas. Wenn er für sein Pferd Hafer brauche, könne er zum Nachbarn gehen, der verkaufe das Malter für zwölf Albus. Auch Licht, Stroh und Decken gebe es dort sicherlich, allerdings seien die Preise gesalzen. Wulf dankte vielmals, und sein Begleiter verabschiedete sich.
    Es war stockfinster hier oben. Wulf tat ein paar Schritte, stolperte und landete in einem Kornhaufen. Vorsichtig erreichte er die Wand, tastete nach dem Fenster und stieß den Holzladen auf. Der Blick von hier oben war überwältigend: Direkt gegenüber lag der Dom mit seinem langen Schiff und verschiedenartig geformten Türmen. Ein Teil der Außenmauern war eingerüstet für Ausbesserungsarbeiten.
    Der Dom gehörte zu einem weitläufigen Gebäudekomplex; Wulf hatte sich ein wenig umgeschaut und umgehört und konnte daher die einzelnen Bauteile gut zuordnen, die zum Teil nur als dunkle Schatten zu sehen, teilweise aber auch beleuchtet waren. An den mit der Kathedrale verbundenen Kreuzgang schlossen sich die Stiftsgebäude, Domschule, Domkellerei und Domspeicher an. Dieses Ensemble grenzte an die innere Stadtmauer. Von Wulf aus gesehen links vom Dom befand sich die Pfarrkirche St. Johannes mit einem Friedhof. Die Residenz des Bischofs, der sogenannte Bischofshof, schloss sich an der gegenüberliegenden, rechten Seite an den Dom an.
    Der Bischofshof setzte sich aus drei Gebäuden zusammen: der Aula Minor, dem Hoftor und der Aula Major. Besonders Letztere interessierte Wulf, denn er hatte in Erfahrung gebracht, dass Luther im dortigen Festsaal verhört werden sollte. Er schätzte die Entfernung ab: Mit einer Armbrust sollte das kein Problem sein; allerdings musste er sich erst eine besorgen. Im oberen Stockwerk der Aula Major war der prächtige erleuchtete Saal zu sehen.
    Während der Reise hatte Wulf in einem einsam gelegenen Kloster Station gemacht, wo er die Bibliothek benutzen durfte; dort ließ er sich die Schedelsche Weltchronik vorlegen und andere Kosmographien. Er wusste, dass der heutige Bischofssitz früher als Kaiserpfalz gedient hatte; dort residierte folglich Karl V. mit seinem Hof. Da ein Reichstag mehrere Monate dauerte, fanden Sitzungen mit wechselnder Zusammensetzung an verschiedenen Orten statt. Der wichtigste Tagungsort war jedoch der Festsaal der Aula Major. Wie günstig, dass er von hier oben genau daraufblickte!
    Den ursprünglichen Plan, Luther unauffällig zu töten, hatte er längst aufgegeben. Selbst wenn die Gelegenheit bestünde, würde er daran keinen Gedanken mehr verschwenden. Brangenberg und dessen Auftrag interessierten ihn nur noch am Rande; er arbeitete längst im Auftrag einer viel höheren Instanz: Die Schwarze Jungfrau persönlich hatte ihm in einem Traum den Weg gewiesen. Er arbeitete gern vor Publikum, so wie damals, als er Brangenbergs Vater richtete. Noch heute lief ihm ein Schauer über den Rücken, wenn er an diesen Moment dachte, den größten in seinem Leben. Er würde Luther in aller Öffentlichkeit töten – das war der Auftrag der Jungfrau! Vor den Augen des Volkes, vor den Augen der Reichsfürsten – vor den Augen des Kaisers!

KAPITEL 26
    Der päpstliche Legat Aleander hielt beide Arme vor der Brust verschränkt. Fröstelnd ging er im Zimmer auf und ab, wobei er von Zeit zu Zeit einen wütenden Blick auf die viel zu niedrige Holzdecke warf. Es klopfte an der Tür, sein Sekretär betrat die Stube.
    »Ihr habt mich rufen lassen?«
    Statt einer Antwort hagelte es Flüche. »Weiß der Himmel, was ich verbrochen habe«, polterte Aleander. »Wofür muss ich so schlimm büßen? Welche Schuld habe ich auf mich geladen? Warum hat Gott mich in dieses Barbarenland geschickt? Schlimmer kann es im Fegefeuer nicht sein … wenigstens friert man dort nicht.«
    »Ein eigenartiges Land«, pflichtete der Sekretär bei. Er war noch sehr jung und hatte einen Buckel.
    Aleander blieb stehen und

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