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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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Schilderungen, die sich selten täuschte, wenn es um den Charakter ihrer Kunden ging. Er habe nichts Außergewöhnliches verlangt, nein, daran liege es nicht, ihr Unbehagen habe mit seiner Ausstrahlung zu tun. »Von ihm ging etwas Bedrohliches aus: eine Aura des Todes!« Früher schon hatte sie Kramer als geistig krank bezeichnet. Das passte so gar nicht zu Cranachs Wahrnehmung und zu dem, was die Wirtin über ihren Gast berichtet hatte. Jost fragte sich, wie derselbe Mensch so gegensätzliche Eindrücke hinterlassen konnte. Wulf Kramer zeigte kein Gesicht, weil er es ständig wechselte.
    Und plötzlich erinnerte sich Jost wieder an seinen Traum …

KAPITEL 25
    Wulf fühlte sich beobachtet, obwohl es Nacht war. Aber die Schwarze Jungfrau würde ihn schützen, schon mehr als einmal hatte sie ihn aus höchster Not befreit. Ihn und die Jungfrau verband ein Geheimnis, das so süß, kostbar und herrlich war, dass er es verschlossen in seinem Herzen trug. Sie hatte ihn in jener Nacht in Wittenberg gerettet und später in dem Sturm.
    Nun war er endlich in Worms angekommen – und musste doppelt aufmerksam und vorsichtig sein. Er bat die Schwarze Jungfrau um ihren Beistand; schwarz nannte er sie wegen der Kleider, die sie trug. Ihren Namen kannte er nicht, er wusste nur, dass sie nicht Maria war … auch ihr Gesicht hatte er nie gesehen, höchstens einmal blitzartig und schemenhaft; es wäre Sünde gewesen, ihr Gesicht zu kennen.
    Wulf wusste, dass die Gegenseite gewarnt war, man würde Ausschau halten nach einem ungewöhnlich kleinen Mann, also durfte er sich so wenig wie möglich in der Öffentlichkeit zeigen. Andererseits waren die Gassen voller Menschen während des Reichstages, sogar nachts: Spielleute und Schausteller waren unterwegs, Bären, Akrobaten, Feuerschlucker, Riesen und Zwerge. Da fiel man nicht so leicht auf. Um sich der Öffentlichkeit zu entziehen, brauchte er dringend ein Quartier, zumindest ein vorläufiges. Während er suchend umherlief, verfolgte er die Gespräche der Menschen aufmerksam und erfuhr, dass man bald den größenwahnsinnigen Mönch im bischöflichen Palais verhören würde; viele erwarteten seine Hinrichtung. Aber er würde ihnen zuvorkommen, denn er handelte in göttlichem Auftrag.
    Mit dem großen Reisesack über der Schulter, den er bei Johannas Sachen gefunden hatte, schlenderte Wulf am bischöflichen Palais vorbei und fasste die gegenüberliegenden Häuser scharf ins Auge; die meisten hatten zwei Stockwerke. Während er die Fassaden und die Fenster betrachtete, keimte in seinem Geist eine Idee; plötzlich ahnte er, wie sich die Dinge entwickeln könnten.
    Ihm fiel eines der Häuser auf, das die Nachbargebäude überragte, es wirkte wie ein Fremdkörper und musste einer reichen Familie gehören, die zum Stadtadel zählte. Solche Geschlechtertürme kannte Wulf nur aus Erzählungen, es gab sie in Italien, in der Toskana, so hatte er gehört, angeblich auch in Regensburg. Die Lage und die Höhe des Gebäudes waren für Wulfs Zwecke einfach ideal: Der Turm war vollständig aus Stein errichtet, in den unteren beiden Stockwerken wies er jeweils drei Fenster auf, im Stockwerk darüber nur zwei und im vierten und fünften nur eines. Ganz oben befand sich ein metallenes Hebegestell mit einer Rolle; mit Hilfe eines Seils ließen sich schwere Gewichte hinaufziehen. Wulf legte den Kopf in den Nacken, der Turm verwuchs förmlich mit dem Nachthimmel, und auf der Metallstange entdeckte er einen Vogel, der dort übernachtete.
    In diesem Moment sah Wulf einen jungen Mann auf die Tür des Gebäudes zugehen, er zog die Brauen zusammen, zögerte kurz, dann eilte er ihm entgegen. Ob er hier wohne, fragte Wulf, woraufhin der Mann ihn von Kopf bis Fuß musterte. Wulf war tadellos gekleidet und vielleicht würdigte er ihn nur deshalb einer Antwort.
    »Das Haus gehört meiner Familie.«
    Sprach er mit dem Sohn des Besitzers? »Ich bin Kaufmann und habe eine lange Reise hinter mir«, sagte Wulf. »Sämtliche Herbergen sind belegt. Kann ich bei Euch unterkommen? Ich bin todmüde und stelle keine Ansprüche. Das einfachste Lager wird genügen.«
    Der junge Mann rieb sich das Kinn. Das könne er nicht entscheiden, sie hätten bereits Gäste im Haus; aber er solle doch mitkommen.
    Er öffnete die Tür und winkte Wulf, ihm zu folgen. Im Hausflur brannte eine Öllampe und aus einer angelehnten Tür drangen Lichtschein, Stimmengewirr und der Geruch von gebratenem Fleisch. Wulfs Magen knurrte und zog sich schmerzhaft

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