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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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einen kleinen Ausflug zu machen. Was verspricht bessere Geschäfte als ein Reichstag? Die Stadt ist voller Männer, die den ganzen Tag in Versammlungen sitzen, dem Geschwätz anderer zuhören oder selbst dummes Zeug reden. Abends sehnen sie sich nach Abwechslung. – Übrigens habe ich noch eine Überraschung für dich. Aber ich verrate sie dir nicht gleich …«
    »Worüber sollte ich mich noch wundern?«, fragte Jost und schob sie rasch zur Seite, weil der halbe Schaft einer Lanze über die Absperrung flog.
    »Kannst du dich dafür noch begeistern?«, fragte Hanna und machte eine Kopfbewegung Richtung Turnierplatz.
    Jost breitete die Arme aus. »Hier tummelt sich die männliche Blüte des Kaiserreichs, während die weibliche Buh ruft oder Beifall klatscht … Übrigens ist damit alles über den Zustand unseres Staatswesens gesagt.«
    »Früher hattest du nicht diesen Hang zur Philosophie. Aber wo wir gerade dabei sind: Bist du dir im Klaren darüber, dass ihr Söldner die Ritter überflüssig macht? Letztens lag einer bei mir und klagte bitter. Die Zeit der Lanzenstecher und Minnesänger ist ebenso vorbei wie die der Burgfräulein – der Blick auf die Empore täuscht.«
    »Mag schon sein, Hanna. Was wir durch Masse erreichen, können die Gepanzerten nicht durch antiquierte Methoden ersetzen. Was nützt dir ein teures Kettenhemd, wenn eine Kanonenkugel auf dich zufliegt. – Aber da sind ja Susanna und Hildegard!«, rief Jost. »Und dort kommt auch noch Delila.« Die Mädchen liefen auf Jost zu und umarmten ihn. »Schön, euch zu sehen! Was für eine Freude! Ich lade euch alle zu einem Bier ein.«
    Ob er immer noch Kindermädchen spiele, fragte Hildegard.
    »Ja, leider«, erwiderte Jost. »Und wie das so ist: Man wird nicht gern gesehen vom Schutzbefohlenen, er fühlt sich eingeengt und lässt es dich spüren.«
    Sie erreichten eine Bude in der Nähe des Turnierplatzes, wo Bier ausgeschenkt wurde. Jost holte fünf Krüge, und sie standen beisammen, während die Männer in der Nähe sich die Hälse verdrehten. Das Turnier, die stolzen Pferde, die bunten Wappen und die kampflustigen Ritter büßten schlagartig ihre Anziehungskraft ein.
    »Ihr sorgt für Aufsehen«, sagte Jost, während sie anstießen. »Sicher macht ihr das Geschäft eures Lebens.«
    »Das ist wohl wahr«, antwortete Susanna und verzog ihren schiefen Mund zu einem bezaubernden Lächeln. »Wenn es nach mir ginge, würde man den ewigen Reichstag ausrufen.«
    »Das meiste Geld«, sagte die üppige, rothaarige Delila, »verdient Hildegard – allerdings beim Kartenspiel.«
    »Du bist eine Lügnerin!«, rief Hildegard erbost und ging auf Delila los. Sie griff ihr in die Lockenmähne und zog kräftig mit beiden Händen, als müsse sie Unkraut jäten. Dabei verschütteten sie Bier auf Susannas gelbes Kleid, die sich daraufhin an der Rauferei beteiligte. Hanna und Jost brachten sie auseinander.
    »Ich kann schon ein paar Brocken spanisch«, sagte Hildegard, um das Thema zu wechseln und warf stolz den Kopf zurück, sodass die kurzen, schwarzen Haare ihr in den Nacken flogen. »Die sind aus einem andern Holz geschnitzt als die Landeier bei uns.«
    »Schau, schau, sie scheint Spaß dran zu finden«, neckte Delila. »Vielleicht solltest du auswandern.«
    Hanna griff Jost beim Arm und zog ihn ein wenig zur Seite. »Übrigens: Anna ist mit uns nach Worms gekommen.«
    Jost wollte ihr nicht glauben. »Anna? Aber wie ist das möglich? Was macht sie hier?«
    »Sie sinnt auf Rache.«
    Luther hatte sich auf seine Stube im Johanniterhof zurückgezogen, um auszuruhen und Briefe zu schreiben. Josts Männer schoben Wache, und so hatte er nun etwas freie Zeit. In der Hoffnung, Anna zu finden, überquerte er den Domplatz, auf dem man während des Reichstages täglich Markt abhielt. Neben den üblichen Ständen mit Lebensmitteln boten Kunsthandwerker ihre Waren feil, auch viele jüdische Kaufleute und Händler bemerkte Jost, die Wechselgeschäfte betrieben. Hannas Mädchen trieben sich zwischen den Ständen herum und warben um Kundschaft.
    Die Luft war mild, fast warm, der Himmel überzogen von tiefdunklem Blau, während gleißendes Licht schräg in die Gassen fiel und manchmal dem Schatten einer schnell ziehenden, schneeweißen Wolke wich, um gleich darauf wieder intensiv und blendend hervorzubrechen. Jost blieb vor dem Portal der Kathedrale stehen und betrachtete die Skulpturen, die im prallen Sonnenlicht lagen und lange Schatten warfen. Er konnte den Blick nicht von drei

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