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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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und Ordnung zu sorgen, aber wenn sie gebraucht wurden, schienen sie immer gerade woanders zu sein.
    Das wusste auch die alte Frau, die mittlerweile auf die Knie gesunken war und ihre gefalteten Hände von sich streckte, was die drei Söldner jedoch wenig beeindruckte. Der Handwerker wich einige Schritte zurück, in seinem Gesicht stand nackte Angst. Er öffnete seine Hand und das Blatt mit dem Holzschnitt schaukelte zu Boden.
    Jost überlegte, ob er eingreifen sollte, aber er war allein und die Spanier zu dritt; auf gute Worte würden sie nicht hören – vom Sprachproblem einmal abgesehen. Er beschloss also, sich aus der Sache herauszuhalten, schließlich musste er Luther schützen und durfte sich nicht auf Nebenschauplätzen verzetteln. Überall zogen Buchführer durchs Land und verbreiteten Schriften, die Streit brachten und Krieg. Wenn er sich in jeden Konflikt einmischen wollte, hätte er viel zu tun. Die Welt ließ sich ohnehin nicht ändern, sie war ein Chaos. Warum zog er also sein Schwert und trat den Söldnern in den Weg, während er sich selbst als hoffnungslosen Fall verfluchte? »Keinen Schritt weiter!«
    Die Spanier, sichtlich überrascht, zögerten. Es gab so etwas wie eine Söldnerehre, eine unausgesprochene Bruderschaft, unabhängig von der Nation. Die Fronten und Koalitionen wechselten ständig, und dein Feind von heute konnte morgen dein Freund sein. Außerdem sahen die Spanier an Josts Kleidung, dass er Hauptmann war und im Rang über ihnen stand. Der groß gewachsene, stämmige Anführer der Dreiergruppe, über dessen rechte Wange sich eine tiefe Narbe zog, bedeutete Jost mit einer resoluten, aber wohlmeinenden Handbewegung, zur Seite zu treten und sich aus der Sache herauszuhalten.
    In diesem Moment drehte sich der Handwerker um und rannte los, was das Zeug hielt. Zwei Spanier verfolgten ihn, während der dritte, jener mit der Narbe, zurückblieb und die alte Frau ins Auge fasste. Ungeduldig befahl er Jost – der zwar kein spanisch sprach, aber jedes Wort zu verstehen glaubte –, sich endlich aus dem Weg zu machen. Die Buchführerin lag immer noch auf den Knien und flehte um Hilfe. Jost rührte sich nicht vom Fleck, woraufhin der Spanier das Schwert hob und auf ihn losging. Warum riskierte er nur sein Leben für eine Frau, die er nie zuvor gesehen hatte? Vielleicht, weil ihm ein Bild von Anna und Martha durch den Kopf geschossen war. Er parierte den Schwerthieb.
    Die Gruppe von Männern, die vorhin bei der Buchführerin gestanden hatte, postierte sich in sicherer Entfernung. Bald kamen neue Schaulustige und riefen Jost Ratschläge zu.
    Schon bald spürte er, dass etwas nicht stimmte und dass er sich noch nie in so großer Gefahr befunden hatte. Das lag nicht an seinem Gegner, sondern an ihm selbst. Es war, als habe er das Kämpfen verlernt. Da war keine Wut, kein unbedingter Wille zu siegen, jene Eigenschaften, die ihm immer wieder halfen, seine Haut zu retten und selbst in schwierigsten Situationen noch einmal den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Er kämpfte, obwohl er nicht kämpfen wollte, und das machte ihn anfällig und verwundbar.
    Jost war immer in der Defensive, immer war es sein Gegner, der die Initiative ergriff, der angriff, während Jost sich darauf beschränkte, die Hiebe abzuwehren. Lange würde er sich nicht mehr halten können, aber er fand keinen Ausweg. Seine Arme wurden schwächer, und immer noch wich er zurück, bis endlich ein Stoß des Spaniers ins Leere ging. Jost blieb keine Wahl, eine zweite Chance würde sich ihm nicht mehr bieten. Mit dem letzten Rest an Kraft, der ihm verblieb, ging er – zum ersten Mal in diesem Kampf – zum Angriff über. Sein Schwert durchdrang den leichten Schutzpanzer des Spaniers, dieser schrie auf und starrte ihn aus weit geöffneten Augen an. Ein Blick, den Jost gut, nur zu gut kannte.
    Ein Gefühl von Ekel stieg in ihm auf, so stark, das es seinen ganzen Körper durchdrang. Der ewige Kampf, das ewige Töten! Es war so unnötig und sinnlos – und er hatte fast sein ganzes Leben damit vergeudet.

KAPITEL 28
    Anna schlenderte durch die Gassen von Worms und hoffte, dabei zufällig Jost zu treffen. Sie hatte etwas Vergleichbares wie den Reichstag noch nie erlebt. Was für eine kleine Stadt war Wittenberg dagegen! Sie staunte über die Pracht und Vielfalt der Kleidung; jeder Fürst hatte seinen Hofstaat mitgebracht, teilweise mehrere hundert Begleiter. Da sich in der Kleidung der Status spiegelte, sparte man nicht an feinen Stoffen. Die

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