Die Lutherverschwörung
hinrichtet, denn dann erledigen sich seine Probleme von selbst.«
»Nicht unbedingt«, gab Jost zu bedenken. »Wenn man Luther auf dem Scheiterhaufen verbrennt, macht man ihn zu einem Märtyrer. So wie Hus, dessen Hinrichtung zu jahrelangen Kriegen führte. Wenn der Kaiser – mit dem Papst im Rücken – Luther hinrichtet, kann das für Brangenbergs Bistum fatale Folgen haben. Ich bin sicher, die Hussitenkriege waren harmlos verglichen mit dem, was uns dann bevorstünde. Brangenberg kann sich seiner eigenen Bevölkerung nicht sicher sein; ganz zu schweigen von Bedrohungen, die von außen kommen. Er hatte gute Gründe, das Attentat in Wittenberg zu verheimlichen.«
»Trotzdem bleibt ihm nichts anderes übrig, als abzuwarten«, sagte Anna.
»Es kann sein«, erwiderte Jost, »dass zwischen Wulf Kramer und Brangenberg keine direkte Verbindung mehr besteht. Ich habe Nachrichten über Kramers bisheriges Leben sammeln lassen. Was ich erfuhr, klingt wenig beruhigend. Er ist ein Einzelgänger – und es gibt Gründe, an seinem Verstand zu zweifeln. Vielleicht weiß Brangenberg zu wenig über ihn. Ich fürchte, dass Kramer das Attentat auf eigene Faust plant. Ein Mann wie Wulf arbeitet allein und niemand weiß, wo er sich aufhält; das wäre für seine Sicherheit der richtige Weg. Wir haben es mit einem Mann zu tun, der niemandem vertraut außer sich selbst.«
»Dann wäre Brangenberg ein Zauberlehrling, der etwas in Gang gesetzt hat, das ihn nun selbst bedroht. Wird er versuchen, ihn aufzuhalten?«
»Wir wissen es nicht, alles nur Vermutungen. Aber Luthers Leben ist in Gefahr, nicht nur was die Verhandlungen vor dem Kaiser betrifft, daran besteht kein Zweifel.«
Eine Weile hingen sie ihren Gedanken nach, Anna beobachtete die Frauen, die das Bier und Essen verteilten. Durch ein offen stehendes Fenster fiel schräg Sonnenlicht auf den braunen, verdreckten Boden. Es roch nach Bier und nach Schweiß und von der Küche her kam noch etwas Verbranntes dazu; die Luft war so dick, dass man sie hätte schneiden können.
»Es gibt aber noch einen anderen Grund, weshalb ich nach Worms gekommen bin«, sagte Anna leise. »Er betrifft uns beide. Ich möchte herausfinden, wie wir zueinander stehen. Du warst so schnell aus Wittenberg verschwunden, dass es mir wie eine Flucht vorkam.«
»Es war keine freiwillige Flucht«, sagte er, »aber es ist wahr, dass ich den Eindruck hatte, mir würde alles über den Kopf wachsen.«
»Du bist mir wichtig«, sagte sie, »und ich möchte, dass du das weißt. Du hast Martha befreit, und allein schon deshalb bleibe ich dir immer verbunden. Ich bereue auch nicht, was zwischen uns geschehen ist. Aber wie soll es mit uns weitergehen – ich meine, auf Dauer? Hast du darüber schon einmal nachgedacht?«
»Ständig denke ich daran«, murmelte er, »die Frage geht mir immerzu im Kopf herum. Am liebsten würde ich mein Leben völlig verändern und es mit dir teilen.«
Ihr Herz klopfte schneller. Dann erklärte sie ihm jedoch, dass sie ein Problem damit habe, dass er Söldner sei und sein Beruf darin bestehe, andere Menschen zu töten.
»Anna, glaubst du vielleicht, dass mir das alles Spaß macht?«, sagte Jost. »Ich bin in jungen Jahren an diesen Beruf geraten, ohne eigentlich zu wissen, was ich tat. Du musst wissen, ich stamme aus einer armen Familie. Wir waren neun Geschwister, und der Hof konnte uns nicht alle ernähren. Eines Tages kam ein Werber ins Dorf, der das Blaue vom Himmel herunter versprach. Ich fiel auf ihn herein und wurde Söldner. Meine Eltern hielten mich nicht zurück: ein Maul weniger zu stopfen. Und weil ich nichts anderes gelernt hatte, blieb ich dabei, denn ich musste ja von etwas leben. Ich will auch nicht behaupten, dass ich das Leben als Söldner immer schlimm gefunden hätte – das kam erst in letzter Zeit. Heute habe ich einen anderen Blick auf mein Leben und prüfe mein Gewissen: Eigentlich ziehe ich alles, was ich getan habe, in Zweifel.«
»Es ist doch so, Jost: Als Söldner bist du immer unterwegs, führst ein unstetes Leben und wirst nie Zeit haben für eine Familie.«
»Die Römer hatten ein gutes System für ihre altgedienten Soldaten: Wenn sie genügend Dienstjahre auf dem Buckel hatten, schenkte man ihnen ein Stück Land, das sie bewirtschaften und von dem sie leben konnten. Von so etwas habe ich immer geträumt, aber mir wird keiner ein Stück Land geben, auch der Kurfürst nicht. Ich will nicht mehr herumziehen, Anna, ich habe es satt; ich möchte in
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