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Die Macht der Angst (German Edition)

Die Macht der Angst (German Edition)

Titel: Die Macht der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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für Zentimeter in Säure aufzulösen. Ihn von widerstreitenden Zweifeln und Hoffnungen zerfressen zu lassen.
    Kev hätte ihr nicht zugetraut, dass sie so grausam sein konnte.
    Ein hölzerner Fußweg schlängelte sich um das felsige Seeufer und führte über umgestürzte Bäume und sumpfiges Gelände. Die Luft war bitterkalt. Schneeflocken trieben vom Himmel und setzten sich auf die dunklen Felsen. Kev stieg die Treppe hoch, die zu dem von Glas dominierten, auf Stelzen errichteten Haus direkt am Franklin Lake führte. Es waren keine Wachleute zu sehen, trotzdem war er sicher, dass er beobachtet wurde.
    Ihm schlotterten vor Angst die Knie.
    Ronnie öffnete auf sein Klopfen hin. Sie wirkte dünn und blass. Und reifer, falls das nach nur sechs Wochen möglich war. Seit er sie zuletzt gesehen hatte, hatte sie den Sprung vom Mädchen zur Frau gemacht. Sie schaute ihn an. »Danke, dass du gekommen bist.«
    »Danke, dass du mich angerufen hast«, gab er zurück.
    Tanya tauchte im Foyer auf. Sie riss vor Bestürzung die Augen auf. »Ronnie? Was macht er hier? Woher hat er diese Adresse –«
    »Ich habe sie ihm gegeben, Tanya«, erklärte Ronnie ruhig. »Ich habe ihn eingeladen.«
    »Aber Mutter hatte dich angewiesen zu warten! Du weißt, wie fragil Edie momentan ist! Das Letzte, was sie braucht, ist, dass irgendein verrückter –«
    »Es wird höchste Zeit.« Ronnie hob die Stimme, um ihrer Cousine das Wort abzuschneiden. »Ich kümmere mich darum, Tanya. Danke. Du kannst jetzt gehen.«
    Unter keifendem Protest zog die junge Frau ab. Kev folgte Ronnies schmalem, geradem Rücken durch das Haus. Er war beeindruckt. Das Mädchen geriet ganz nach seiner Schwester. Mit ihr sollte man sich besser nicht anlegen.
    »Wie geht es ihr?«, fragte er.
    Ronnie führte ihn über eine verglaste Veranda, die an der Hausseite entlanglief. »Nicht so gut«, sagte sie. »Körperlich erholt sie sich. Sie braucht keine Krücken mehr. Aber sie kann nicht schlafen. Sie kann nicht aufhören zu zittern und isst kaum. Sie hat schlimme Stress-Flashbacks. Sie fühlt sich schrecklich.«
    »Hat sie je …« Kev brach ab, weil er sich vor der Antwort fürchtete.
    Ronnie warf ihm einen scharfen Blick zu. »Nach dir gefragt? Nur im Schlaf. Wenn sie schlafen kann. Was nicht oft der Fall ist.«
    »Hm.« Kev wusste nicht, was er damit anfangen sollte.
    »Darum habe ich dich angerufen«, fuhr Ronnie fort. »Ich schätze, im Schlaf lügt man nicht. Wenn man wach ist, kann man sich selbst etwas vormachen oder kneifen oder irgendwelchen Blödsinn vom Stapel lassen. Aber nicht, wenn man schläft.«
    »Ich verstehe«, sagte er. »Also lässt sie am Tag Blödsinn vom Stapel?«
    »Nein«, sagte Ronnie kurz. »Am Tag leidet sie. Und in der Nacht ebenso. Geh also lieber sanft mit ihr um.«
    Sonst bekommst du es mit mir zu tun,
lautete der unausgesprochene Nachsatz. Doch das war überflüssig, Kev würde sanft mit ihr umgehen. Oh Gott, ja. Sein ganzes Leben hing in der Schwebe.
    Ronnie stieß die Tür auf, die sich zur rückwärtigen Terrasse hin öffnete. Sie war über eine Treppe mit einem anderen hölzernen Steg verbunden, der zum Seeufer führte.
    Ein scharfer Wind blies über das dunkle, schiefergraue Wasser und quirlte es zu weißen Schaumkronen auf. Tote, bleiche Skelette von Bäumen und weiße, verschlungene Wurzelsysteme umringten das Ufer.
    Edie saß auf einem der massiven Baumstämme. Sie trug Jeans und einen dicken Daunenmantel. Sie hatte sich eine pelzverbrämte Kapuze über den Kopf gezogen, aber ihre langen Haare hingen heraus und flatterten wie eine Fahne im Wind.
    Kevs Knie waren so puddingweich, dass sie nachzugeben drohten. Sein Bauch war in Aufruhr. Nun würde das Rätselraten ein Ende finden. Himmel, er war nicht bereit.
    Ronnie gab ihm ein Zeichen, zu ihr zu gehen. »Lass mich nicht bereuen, dich angerufen zu haben«, warnte sie ihn noch einmal.
    Kev versuchte zu antworten, aber seine Stimme versagte. Er machte sich auf den Weg zu Edie. Der Wind, der aus Richtung des Wassers kam, musste ein lautes Tosen in ihren Ohren sein, und Kev machte kein Geräusch beim Gehen. Dank Eamons Training war es ihm zur zweiten Natur geworden. Trotzdem hörte sie ihn. Sie drehte sich um, als er noch etwa dreißig Meter entfernt war. Hypnotisiert von ihrem Blick, blieb er stehen. Sein Herz galoppierte.
    Er staunte auch jetzt wieder darüber, wie unermesslich schön sie war. Sie wirkte transluzent, als würde Licht durch sie hindurchscheinen. Sein Engel. Und ihre Augen.

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