Die Macht der Angst (German Edition)
der ihn entspannt, aber wachsam betrachtete.
Paul hob sein Handy, aktivierte die Kamera und knipste mehrere Fotos von Kev. Anschließend stieg er ohne ein Wort in den Wagen. Edie guckte über ihre Schulter, als die Limousine losfuhr. Kev hob lächelnd die Hand. Der Ausdruck in seinen Augen war unglaublich weich. Er sah so … Gott, er sah so glücklich aus.
Ein Impuls überkam sie und schwoll zu etwas Unkontrollierbarem an.
»Stopp!«, rief sie.
Paul hielt den Wagen ruckartig an. Hupen quäkten. »Was ist bloß in Sie gefahren?«, knurrte er.
Edie stieß die Tür auf, sprang aus dem Fahrzeug und wäre fast hingefallen. Mit verdutzter Miene fing Kev sie auf.
»Hey, was ist los?«, fragte er.
»Da ist noch etwas anderes«, stammelte sie. »Ich wollte es eigentlich nicht ansprechen, weil ich weder genaue Infos noch Beweise habe und ich nicht wollte, dass du dir Hoffnungen machst, die dann enttäuscht werden, und alles nur noch schlimmer für dich wird, aber ich …« Von quälendem Zweifel gepackt, ließ sie die Stimme verklingen. »Ich möchte dir etwas sagen«, vollendete sie dann.
Kevs Miene war starr vor Anspannung. Er war auf alles gefasst. »Schieß los.«
Mit aus purem Abscheu geborener Wucht knallte Paul die Fahrertür zu.
Kev hob den Blick und spähte über Edies Schulter. Er hob die Hand und gab Paul wortlos zu verstehen, auf Abstand zu bleiben.
Erstaunlicherweise parierte der Mann.
Edie schaute sich verblüfft zu ihm um. Der Bodyguard sah aus, als hätte er in eine saure Zitrone gebissen. Er schien zu glauben, durch irgendeinen Trick manipuliert worden zu sein, einem stummen Befehl zu gehorchen, aber immerhin rührte er sich nicht vom Fleck, die fleischigen Arme vor der breiten Brust gekreuzt und von einem Fuß auf den anderen tretend.
Die Worte strömten nur so aus Edie heraus. »Vor ein paar Wochen aß ich mit meinem Vater zu Abend. Er erzählte mir, dass er vor drei Jahren Besuch von ein paar Männern hatte, die sich nach dir erkundigten. Sie sagten, sie seien deine Brüder.«
Kevs Hände, die auf ihren Schultern lagen, verkrampften sich plötzlich zu schmerzhaften Eisenklauen. Seine Lippen wurden farblos. »Meine Brüder?«
»Ja, deine Brüder«, bestätigte sie. »Sie sind irgendwo dort draußen, Kev. Sie suchen nach dir, sie denken an dich. Sie vermissen dich. Mein Vater sagte, dass sie sehr, nun ja, vehement waren, als sie ihn ins Kreuzverhör nahmen. Er konnte ihnen nicht weiterhelfen, aber er behauptet, dass einer von ihnen ihn körperlich bedroht habe.«
Kev atmete scharf aus und schlug die Hand vor die Augen. »Ich danke dir«, sagte er heiser.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, zog seinen Kopf nach unten und küsste ihn, aber seine Miene war verspannt, sein Blick abwesend.
»Ihre Namen hat er nicht erwähnt?«
»Mir gegenüber nicht, nein. Es tut mir leid.«
Kev nickte, beugte sich schwankend vor, legte die Stirn sanft an ihre und nahm ihr Gesicht zwischen die Hände. »Ich danke dir«, wiederholte er, seine Stimme ein fast unhörbares Wispern.
»Das ist nicht nötig«, erwiderte sie. »Ich hoffe nur, dass es wahr ist. Und dass sich für dich alles zum Guten wendet.« Ihre Stimme stolperte über einen schmerzhaften Kloß in ihrer Kehle. »Es wäre furchtbar, wenn du enttäuscht und noch mehr verletzt würdest. Darum habe ich gezögert, es dir zu erzählen. Aber ich konnte es einfach nicht für mich behalten.«
»Ich bin froh darüber«, sagte er. »Und es würde keinen Unterschied machen, wenn nichts dabei herauskäme. Ich bin dir trotzdem dankbar. Du bist sehr, sehr lieb, Edie.«
Er küsste ihre Schläfe, ihre Wange, dann plötzlich fanden sich ihre Lippen wieder, während sie einander in den Armen hielten, als stünde das Ende der Welt bevor und sie könnten nur überleben, indem sie sich ganz fest aneinanderklammerten.
Paul räusperte sich mit einem lauten und abgehackten Geräusch. Dann hörten sie das feuchte
Plopp
eines Schleimklumpens, der unverschämt nahe bei ihnen auf den Gehsteig platschte.
»Ms Parrish«, sagte er. »Sie sind schon jetzt vierzig Minuten zu spät.«
Edie löste sich von Kev und stolperte rückwärts zu der Limousine.
Paul hielt ihr den Wagenschlag auf, dann half er ihr mit etwas mehr Nachdruck, als es die pure Professionalität verlangte, ins Innere. Er schlug die Tür zu.
Sich zu Kev umdrehend, knipste er drei weitere Fotos mit dem Handy und betätigte unverhohlen die erforderlichen Tasten, um sie zu versenden.
Kev registrierte es nur
Weitere Kostenlose Bücher