Die Macht der Angst (German Edition)
Kraft.
Parrish könnte sich geirrt oder schlichtweg gelogen haben. Aber mit welchem Motiv? Warum sollte er sich nach achtzehn Jahren so etwas aus den Fingern saugen? Und Edie damit konfrontieren? Es gab keinen Grund, machte keinen Sinn.
Doch sein übermächtiger Wunsch, es möge wahr sein, könnte seinen Scharfsinn trüben und ihn blind machen gegenüber dem Offensichtlichen. Der einzige Weg, sich vor dieser Gefahr zu schützen, bestand darin, gelassene Distanz zu wahren. Abzuwarten, bis sich das trübe Wasser klärte.
Brüder?
Heilige Scheiße. Heilige … verfickte …
Scheiße
.
Kev war fast schon zu Hause, als es passierte. Wie eine göttliche Strafe, weil er sich derart hatte ablenken lassen. Der Kerl war gebaut wie ein verfluchter Kühlschrank, trotzdem bemerkte er ihn erst, als er ihm mit einem Ausfallschritt den Weg versperrte und direkt zur Sache kam. »Entschuldigen Sie, Sir«, sagte er. »Aber wir müssen uns mit Ihnen unterhalten.«
Ein anderer packte von hinten seine Arme. Seine Fade-Shadowseeker-Romane fielen ihm aus den Händen. Noch bevor sie auf dem Gehsteig landeten, wirbelte Kev herum, um dem Mann, der seine Arme festhielt, einen Kopfstoß zu versetzen. Er verfluchte sich selbst in diesem Moment wieselflinker Gegenwehr, als er sich aus dem Klammergriff des Mannes befreite und der Schmerz zuschlug.
Scheiße,
tat das weh, aber er kümmerte sich nicht weiter darum, sondern versetzte dem Idioten einen wuchtigen Stoß und katapultierte ihn mit dem Kopf voran gegen den Bauch seines Kumpels. Sie taumelten zurück, prallten von der Ziegelwand ab, stolperten über Müllsäcke.
Zack,
verpasste er dem Mann, der ihn angesprochen hatte, einen gemeinen Rückwärtskick auf die Nase, gefolgt von einem seitlichen Tritt ins Knie des anderen, der sich gerade hochzurappeln versuchte.
Knack
.
Kev schleuderte den ersten frontal gegen die Ziegelmauer seines Wohnhauses. Verdammt. Man sollte meinen, dass ihm eine andere Verteidigungsstrategie einfallen würde als die, seinen in der Heilung begriffenen Schädel mit seinem angeschlagenen, leidgeprüften Hirn darin als Knüppel einzusetzen. Als wären die Kopfschmerzen und Übelkeitsattacken nicht schon schlimm genug.
Sein Ärger über sich selbst beflügelte seinen Tritt ins Steißbein des Kerls, sodass dieser ein weiteres Mal mit dem von Schimmel befallenen Backstein kollidierte. »Wer zum Henker seid ihr, und wer hat euch geschickt?«, blaffte er.
Der Typ, dessen Knie er zertrümmert hatte, lag zu einem Komma gekrümmt auf dem Boden und hielt sich jaulend sein kaputtes Bein. Der andere kauerte hustend an der Wand. Er guckte sich verstohlen um, dann spuckte er einen Zahn aus.
Kev packte ihn am Schlafittchen. »Willst du noch mal die Wand küssen, Arschloch? Nein? Dann rede!«
»Charles Parrish«, ächzte der Mann. »Wir gehören zu seinem Sicherheitsdienst.«
Blanke Bestürzung durchflutete ihn und brachte allen Kampfgeist zum Erlöschen. »Verfluchte Kacke«, stieß er hervor. »Warum habt ihr das nicht gesagt, bevor ihr mich in die Mangel genommen habt? Ihr Vollpfosten! Dann hätte ich dir nicht die Nase gebrochen! Und ihm nicht die Kniescheibe zertrümmert!«
Der Mann hustete feucht. Blut spritzte aus seinem Mund. »Wir sollten Sie aufgreifen«, nuschelte er. »Befehl vom Boss.«
Kev rieb sich seine schmerzende Abrissbirne von einem Schädel. Er legte den Kopf zurück und betrachtete den Streifen kobaltblauen Abendhimmels, der sich zwischen den Gebäuden zeigte, und stieß dabei eine Verwünschung in kalabrischem Dialekt aus.
Er hatte sie während seiner Jahre als Tonys Küchenhilfe aufgeschnappt. Tonys Art der Kommunikation bestand vorwiegend aus vulgären Unflätigkeiten, und Kev hatte jede Menge Gelegenheit zum Lernen gehabt. Jahre stillen, aufmerksamen Zuhörens.
Na toll. Was für ein gelungener Auftakt, um mit dem Mann ins Gespräch zu kommen, der den Schlüssel zu den Geheimnissen seines gesamten Lebens besaß. Ganz zu schweigen davon, dass er der Vater seiner neuen Freundin war. Kev hatte gerade zwei seiner Angestellten die Seele aus dem Leib geprügelt. Eine Kniescheibe zertrümmert. Ein paar Zähne ausgeschlagen.
Eine echte Meisterleistung, wie Bruno sagen würde. Ein großartiger erster Eindruck. Kaum zu überbieten.
Seufzend kramte Kev seine Brieftasche aus der Manteltasche, aber er fand keinen Stift. Man hatte nie einen, wenn man einen brauchte.
»Hast du einen Schreiberling?«, fragte er den Mann grummelnd.
Der guckte mit geweiteten Augen
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