Die Macht der Drei
bald goldglänzend, bald funkelnd wie Rubin in seinem Glase schimmerte, kein Wein.
Erik Truwor beugte sich vor.
»In dreißig Minuten muß Silvester aufbrechen, wenn er den Anschluß an die planmäßige Maschine nach Deutschlanderreichen will.«
»So laß ihn gehen.«
Atma sagte es ruhig und leidenschaftslos.
»Du kennst meine Landsleute nicht. Sie wollen den Brauttanz. Sie wollen den Schleier der Braut vertanzen, wollen zuletzt aus dem Brautschuh trinken. Ich bedauere es jetzt, daß ich die alten Freunde und Nachbarn eingeladen habe. Es gibt Anstoß, wenn das Paar jetzt aufsteht.«
Atma überblickte die Tafel. Sie waren alle in ihrem Element. Der Richter hielt dem Beisitzer einen Vortrag über einen besonders interessanten Fall aus der letzten Sitzung. Der Vogt machte der Frau Amtmann Komplimente. Der Amtmann begann auf die Regierung zu schimpfen.
»Ich muß mit Silvester noch sprechen. Wir haben ihm eine Woche für seine Hochzeitsreise zugestanden. Ich habe mich besonnen, er mag vierzehn Tage reisen.«
Atma wandte sich aufmerksam um.
»Warum das? Du wolltest ihn zuerst nur drei Tage entbehren. Er hat dir die Woche abgerungen. Warum jetzt Wochen?«
»Weil… ich habe meine Gründe, die ich dir später sagen werde. Ich muß das Paar jetzt aus dem Saal herausbekommen.«
Atma ließ seinen Blick von neuem über die Tafel gehen. Er erhob sich und trat an die schmale Wand der Halle. Es sah aus, als ob er dort irgend etwas erklären oder zeigen wolle.
Schon hoben einige aus der Gesellschaft die Köpfe und blickten gespannt auf das dunkle Getäfel der Wand. Die Frau Amtmann fiel dem Vogt ins Wort:
»Sehen Sie… das herrliche Bild… ein indisches Schloß, wie es scheint. Wie wundervoll! Die bunten Kuppeln im stahlblauen Himmel… Unser Erik ist ein charmanter Gastgeber. Er bietet uns einen Extragruß… Wohl Bilder von seinen exotischen Reisen…«
Der dicke Vogt hob neugierig den Kopf und folgte der weisenden Hand seiner Nachbarin. Eben noch schien ihm weißer Nebel über die Wand zu wallen. Jetzt sah er in strahlender Schönheit den Kaiserpalast von Agrabad.
Er machte den Nachbarn darauf aufmerksam. Und der den nächsten. Wie ein Lauffeuer ging es um die Tafel. Die mit dem Rücken gegen die Schmalwand saßen, drehten sich um. Wo Silvester und Jane nur das dunkle Getäfel erblickten, schimmerte den andern das wunderbare Bauwerk altindischer Kunst in strahlender Schönheit. Aus dem stehenden wurde ein bewegtes Bild. Der Palast zog näher heran. Die staubige, sonnenbeschienene Straße dehnte sich bis in den Saal. Längst hatte der Richter seinen Prozeß, der Amtmann seinen Zorn auf die Regierung vergessen. Gebannt starrten die Gäste auf das Schauspiel an der Wand. Die Elefanten des Königs kamen. Mit vergoldeten Stoßzähnen und purpurnen Schabracken. Es schien ein plastischer Farbfilm zu sein, wie man ihn in allen Filmtheatern sah, ein Film von unerhörter Farbenpracht. Und er blieb nicht an der Wand. Einzelne Figuren liefen bis weit in den Saal hinein.
Lobbe Lobsen zog seinen Stuhl zurück, weil ein staubiger Pilger ihm direkt über die Füße lief. Immer wunderbarer wurde es.
Atma, der eben noch in europäischer Kleidung da war, stand plötzlich im exotischen Gewand unter den Gestalten, begrüßte hier einen, nickte dort einer Figur zu, wurde gekannt und wieder gegrüßt.
Derweil stand Erik Truwor draußen vor dem Hause am Schlage des Kraftwagens und tauschte den letzten Händedruck mit dem jungen Paar.
»Reist glücklich! Genießt euren Honigmond! Die letzten drei Tage seid ihr Gäste im Hause Termölen. Wenn du zurückkommst, hole ich dich vom Flugplatz ab. Farewell!«
Der Motor sprang an. Der Fahrer mußte sich beeilen, um das Flugzeug nach Deutschland noch auf dem Flughafen zu erreichen.
Erik Truwor kehrte langsam in die Halle zurück. Er fand Atma ruhig auf einem Sessel an der Schmalwand der Halle sitzend. Die Hochzeitsgesellschaft starrte mit aufgerissenen Augen auf diese Wand, als ob dort ein besonderes Schauspiel zu erblicken wäre. So ähnlich mußten wohl die Studenten in Auerbachs Keller ausgesehen haben, als Mephisto ihnen edle Weine aus dem trockenen Holz des Tisches fließen ließ. Erik Truwor konnte sich eines Lächelns nicht erwehren.
Atma erhob sich und ging auf seinen Platz am Tisch zurück. Im gleichen Augenblick begann das Bild, welches die Zuschauer so fesselte, zu verblassen. Es wurde neblig, verlor die Farbe, und schon war wieder die dunkle Wand sichtbar. Nur langsam löste
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