Die Macht der Drei
Zeilen Wort für Wort zu lesen:
»Eine Katastrophe, die noch der Aufklärung bedarf, hat gestern das in unserer Nähe liegende Gehöft der Truwors betroffen. Um Mitternacht flog das Herrenhaus unter schweren Explosionen in die Luft. Es wurde von dem erst kürzlich aus dem Auslande zurückgekehrten Besitzer bewohnt, der zwei Freunde als Gäste bei sich hatte. Mit Sicherheit ist anzunehmen, daß alle Insassen den Tod gefunden haben. Über die Ursache der Katastrophe gehen Gerüchte, die wir ihrer Unkontrollierbarkeit wegen vorläufig nicht wiedergeben wollen!«
Mit einem leisen Aufschrei sank Diana Maitland auf die Couch zurück. Wie im Traume sah sie, wie sich die Tür öffnete, Lord Horace in das Zimmer trat, die Tür hinter ihm ins Schloß fiel.
Es war ihr unmöglich, sich zu erheben. Es gelang ihr nur, sich etwas aufzurichten.
»Du hast eine unangenehme Nachricht erhalten?«
»Eine unangenehme Nachricht? Wie kommst du auf die Frage?«
Lord Horace deutete auf das am Boden liegende Zeitungsblatt.
»Wer sandte dir diese Zeitung?«
Die Antwort kam nicht gleich. Endlich kam sie, zögernd und unfrei:
»Doktor Glossin.«
»Von Doktor Glossin?«
Lord Horace trat einen Schritt zurück.
»Von Doktor Glossin… Gib mir bitte eine Erklärung. Du bist sie mir schuldig. Was steht in dem Blatt, das dich in eine solche Erregung versetzt?«
Lady Diana zögerte. Erst nach geraumer Weile hatte sie ihre Stimme in der Gewalt.
»Du darfst mir nicht zürnen, Horace. Es überkam mich plötzlich… gewiß eine Folge der letzten kritischen Tage. Sie haben Ansprüche an meine Nerven gestellt, denen ich nicht gewachsen war… Die Zeitung von Doktor Glossin… ah, gewiß! Es wird dich interessieren, welchen Erfolg die Expedition nach Linnais gehabt hat. Doktor Glossin schickte das Zeitungsblatt, das eine Notiz darüber bringt.«
»Warum schickte er die Zeitung an deine Adresse?«
»Nun sehr einfach, ihr Männer seid doch jetzt Feinde.
Sein patriotisches Gewissen erlaubt ihm keinen Verkehr mehr mit dir… Ich werde dir diese Zeilen übersetzen.« Sie las ihm den Inhalt der Notiz vor.
»Ah, sehr gut… Der Plan ist also gelungen. Unbegreiflich, daß noch keine Meldung von Oberst Trotter vorliegt… Doch du? Du freust dich nicht? Und nahmst doch zuerst so starken Anteil an dem Plan.«
Diana war zurückgesunken. Sie drückte das feine Spitzentuch gegen die Stirn. Ihre Brust bewegte sich heftig.
»Diana, was ist dir?«
»Nichts! Habe Geduld mit mir, Horace. Es wird vorübergehen. Überlasse mich heute mir selbst, ich bitte dich!«
»Schenke mir Vertrauen, Diana. Befreie dich von der Last. Sage mir, was dich quält.«
Lord Maitland näherte sich ihr und legte den Arm beruhigend um ihren Nacken.
Diana zuckte leise zusammen. Ihr Körper erzitterte.
»Laß mich! Laß mich! Ich bin nicht die, die…«
Klage und Herausforderung schienen zu gleicher Zeit im Klange dieser Worte zu liegen. Lord Horace zog seine Hände von ihren Schultern zurück. Betroffen sah er das jagende Wechselspiel von Licht und Schatten auf ihren Zügen. Er wagte nicht zu sprechen, wagte nicht, diese Qual, in der ihre Seele sich wand, zu unterbrechen. Endlich, nach langem Schweigen, schien in ihr der Entschluß zu reifen. Ein harter Zug legte sich um ihren Mund.
»Ich will nicht länger schweigen. Nur die Wahrheit kann mir helfen.«
Sie sprach ohne Schwäche.
»Hör mich an als mein Mann, mein Freund… als mein Richter.«
Sie wendete sich ihm zu und blickte ihn mit freien Augen an.
»Du weißt, Horace, daß meine Eltern Polen waren. Ich sollte den Sohn einer befreundeten Familie – gleichfalls Polen – heiraten. Raoul war drei Jahre älter als ich. Schon als halbe Kinder galten wir als Verlobte. Die Familien wollten es so haben. Es paßte so schön zusammen. Im Grunde genommen ein Handel, den beide Familien ausgeklügelt hatten. Ich wußte nichts davon. Raoul auch nicht. Wir hatten einander lieb, wie sich Kinder liebhaben. Wir wußten beide nichts vom Leben und von der Liebe.
Raoul wurde Offizier und lernte das Leben kennen. Während mein Herz sich gleichgeblieben war, wurden seine Empfindungen leidenschaftlicher. Noch ein Jahr, und unsere Ehe sollte geschlossen werden…
Aber wir liebten uns nicht und trennten uns freundschaftlich, ehe es zu einer engen Bindung kam. Ich liebte einen Ingenieur, und wir verlobten uns, als ich ihm mitteilte, daß Raoul mich freigegeben hatte.
Einige Wochen später kam Raoul noch einmal in die Stadt, in der ich
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