Die Macht der Dunkelheit
...« Aber er wehrte sich weiter, bis der Arzt nachgab.
Er sah, wie der Champion im Trommelwirbel in die Arena stolzierte. Er gehörte dem Windclan an, und sein Name bedeutete Sturmpirscher. Vielleicht hatte er einmal diesem Namen Ehre gemacht, doch jetzt konnte er das gute Leben nicht verleugnen. Fett hatte sich um seine Mitte angesetzt, und zu viel Schweiß glitzerte auf seinen erschlafften Muskeln. Den Begeisterungsschreien nach tat das seiner Beliebtheit allerdings keinen Abbruch. Die bunten Bumeranghüte segelten in dichten Schwärmen über seinem Kopf.
Als die Trommeln verstummten, ließen die Hüter seinen Tly los. Er wirkte kleiner als der des Herausforderers, und sein Flug war unsicher und langsam.
»Ein kranker Tly, oder unterernährt«, hörte der Junge seinen Arzt murmeln. Durch den Schmerzensschleier hindurch sah er dem Kampf zu. Dreimal tauchte der Tly auf den schwarzen Sandkreis hinunter. Dreimal lenkte der Champion ihn mit dem hochschnellenden Strick ab. Als der Tly das viertemal tauchte, schien er zu taumeln. Sturmpirscher holte ihn mit dem Strick auf den Boden und sprang auf seinen Rücken. Der dünne rote Stachel stieß mehrmals zu, ohne jedoch Schaden anzurichten. Mann und Tly verschwanden im aufgewühlten Sand, deshalb war schwer zu sehen, was vor sich ging, aber dem jungen aufmerksamen Beobachter schien es, als rührte der Tly sich schon nicht mehr, ehe er überhaupt gebunden wurde.
Keuchend warf der fette Champion das leblose Tier über den Rücken und nahm huldvoll die Ovationen der begeisterten Menge entgegen.
»Pirscher!« schrie Saphir. »Pirscher, du hast mir das Ei versprochen!« Sie rannte in die Arena und hakte sich bei dem Sieger unter. Das Ei wurde ihr vom Waffenträger nachgebracht.
Der Junge stolperte ihnen mühsam nach. Alles begann sich zu drehen, und es wurde schwarz vor seinen Augen. Sein letzter Gedanke war der Gnadendolch, der ihn erwartete.
Als er erwachte, erkannte er die grauen Wände des Sterbezimmers um sich. Vage erinnerte er sich an die keifende Stimme seines Arztes, der sich die Einmischung eines fremden Andersweltdoktors verbat. Er wußte nicht, wie der Streit ausgegangen war, aber als er ein zweitesmal kurz bei Besinnung gewesen war, hatte ein bleicher Fremder in weißem Kittel sich über ihn gebeugt. Er spürte einen heftigen Stich, hörte das Klicken und Summen seltsamer Instrumente und fühlte sich plötzlich unsagbar wohl. Er wollte dem blassen Arzt danken, aber er war viel zu müde dazu.
Jetzt fühlte er sich wunderbar ausgeruht, und seltsamerweise empfand er keinerlei Schmerzen mehr, nicht einmal in dem gestochenen Arm. Er streckte sich wohlig. Als er sich aufsetzte, um aus dem Bett zu steigen, kam ein alter Tlyhüter, den er vom Sehen kannte.
»Junge, ich habe gewartet, daß du aufwachst. Du mußt mir vergeben«, wimmerte er. »Es ist meine Schuld, daß du nicht Sieger geworden bist.« Er wich der nach ihm greifenden Hand aus. »Ein grauhäutiger Fremder, einer von den Gaunern, die durch das Auge kommen, um ihr Glück auf Nggongga zu machen, ein Drogenhändler, ein Betrüger – er setzte auf Sturmpirscher und sorgte dafür, daß du keine Chance hattest.«
»Du – du ...« Der Junge schlug dem Geduckten auf den Kopf, ehe er sich wieder beherrschen konnte. »Was hast du getan?«
»Erbarmen, Junge«, winselte der Hüter. »Du sollst alles erfahren. Ich war der Melker. Eheeier, der Champion und eine rothaarige Hure kamen zu mir. Sie versprachen mir fünfhundert Gong und außerdem, daß sie mich auf eine lebensfreundlichere Welt bringen würden, wenn ich deinen Tly nicht ganz ausmolk. Tu mir nichts, Junge!« Er hob abwehrend die von Tlystichen verkrüppelten Hände.
»Ich wollte nicht mitmachen, glaub's mir, Junge. Ich war immer ein ehrlicher Hüter. Aber ich bin jetzt ein alter Mann und schon zu oft gestochen worden. Als ich mich weigerte, versprach Wheeler, er würde dafür sorgen, daß ein Andersweltdoktor mir helfen, mir die schrecklichen Schmerzen nehmen würde. Du weißt nicht, Junge, wie schlimm diese Schmerzen sind. Deshalb gab ich schließlich nach.«
»Ich – ich vergebe dir«, flüsterte der Junge heiser. »Aber Pirscher nicht.«
»Und jetzt wollen sie ihre Versprechen nicht halten!« Der Alte brach in Tränen aus. »Der Champion gab mir einen Fußtritt, seine Hure lachte mich aus, und Wheeler behauptet, er hätte mich nie gesehen. Sie sagen, die vielen Tlystiche haben meinen Geist verwirrt. Ich kann mich nicht wehren, Junge. Aber du
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