Die Macht Der Könige
bemerkt hätte, aber er hatte sich eindeutig geirrt. Die Augen von Dieben, rief er sich ins Gedächtnis zurück, waren auf sehr ähnliche Weise wie die von Schauspielern geschult.
»Und woran liegt das?« fragte er, zog eine kleine Münze hervor und legte sie auf den Tresen.
»Er sieht in Euch einen Konkurrenten, König der Schauspieler«, erwiderte der Wirt. »Er ist ein Geschichtenerzähler in den Straßen. Was möchtet Ihr trinken?«
»Halb Wasser, halb Wein«, sagte Feltheryn. »Das ist dumm von ihm, denn er kann tausend Geschichten für jedes Stück erzählen, das ich aufführe. Und wir bieten ganz andere Geschichten als er an.«
»Halb Wasser?« fragte der Wirt, und seine Miene drückte äußersten Widerwillen aus.
Feltheryn richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er war größer als der Wirt, wenn auch nicht so kräftig.
»Ich bin ein alter Mann, falls Ihr es noch nicht bemerkt haben solltet«, sagte Feltheryn würdevoll. »Mein Körper ist nicht mehr so schnell wie früher, und auch meine Verdauung ist nicht mehr so gut. Ich werde Euch so bezahlen, als wäre der ganze Becher voller Wein.«
Damit war das Problem geklärt, und der Wirt gab ihm, was er verlangt hatte.
»Da ist noch etwas anderes, wofür ich ebenso gut zahlen werde«, fuhr Feltheryn fort, nachdem er den ersten Schluck getrunken hatte. »Etwas, das in Eurem Gewerbe nicht unüblich ist, das Euch aber ohne das Gold unangehm sein könnte.«
»Und was ist das?« fragte der Wirt mißtrauisch.
»Ihr kennt ja mittlerweile Rounsnouf, meinen Komödianten«, erklärte Feltheryn und deutete auf den Tisch, an dem seine Schauspieler so in ihr Gespräch vertieft waren, daß sie sein Erscheinen gar nicht bemerkt hatten. »Ich befürchte, daß er sich hier bereits besser auskennt, als er das eigentlich sollte, zumindest im Interesse meiner Theaterstücke. Ich werde Euch eine angemessene Summe zahlen, wenn Ihr ihm an bestimmten Abenden, wenn wir Aufführungen haben, den Eintritt verweigert, bis das Stück vorbei ist.«
»Und was sollte ihn daran hindern, woanders zu trinken?«
»Es ist nicht das Trinken, was ihm hier so wichtig ist, es sind die Leute. Ich glaube nicht, daß er irgendwo anders in Freistatt eine derart interessante Auswahl finden wird, und wenn er weiß, daß er jederzeit hierherkommen kann, außer an den Abenden der Aufführungen, glaube ich nicht, daß er sich ausgenutzt vorkommen wird.«
Der Wirt nannte eine Summe, Feltheryn feilschte ein wenig herum (obwohl die Summe angemessen war), und der Handel war besiegelt.
»Aber Ihr müßt ihm sagen, was Ihr getan habt«, sagte der Wirt zum Abschluß.
»Aber gewiß«, gab Feltheryn zurück, trank aus und ließ sich nachschenken.
Mit dem gefüllten Becher durchquerte er den Raum, wobei er den Tisch umging, an dem Hakiem saß, und setzte sich zu seinen Schauspielern. Rounsnouf und Snegelringe stellten ihm Hort vor, ihren neuen Freund, und dann tauschten sie eine Weile Geschichten und Gedichte aus. Feltheryn erzählte Rounsnouf erst am nächsten Morgen, was er getan hatte, und der kleine Komödiant nahm es mit Fassung hin.
»Wäre der Wille der Götter nur so fest wie der eines Theaterdirektors«, sagte er ergeben.
Bei den letzten Planungen ging es um zusätzliche Statisten, denn Die Macht der Könige war ein spektakuläres Stück, und die spektakuläre Wirkung wurde vor allen Dingen durch eine mit elegant gekleideten Leuten bevölkerte Bühne erzielt. Feltheryn hatte so manchem jungen Schauspieler die Bedeutung von kleinen Nebenrollen erläutert, indem er auf den Fall der Magd in Die Ermordung von Königin Ranceta hingewiesen hatte, eine Rolle, die der jungen Frau, die sie spielte, nur einen kurzen Auftritt auf der Bühne gab, ohne die das Stück aber nicht funktioniert hätte. (Es war die Magd, die das Tablett mit dem tödlichen Krug vergiftetem Wein brachte, und ohne das Gift gab es kein Theaterstück!) Nun stellte sich die Frage, wo man hübsche junge Frauen und Männer herbekam, die Höflinge spielen sollten.
Feltheryn erkundigte sich bei Lalo, denn wenn überhaupt irgend jemand, würde bestimmt der Maler Schönheit erkennen, und Lalo fragte seinerseits seine Frau Gilla, da er sich in dieser Beziehung nicht kompetent fühlte. Gilla schlug vor, daß Feltheryn mit Myrtis sprechen sollte, der Eigentümerin des Aphrodisiahauses. Die Frauen, die dort arbeiteten, sagte sie, wären überdurchschnittlich hübsch für das Gewerbe und ihrer Hüterin gegenüber ehrlich. Feltheryn tat, was
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