Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2
dann schließlich kann ich es erkennen.
International gesuchte Terroristen?
John Smith, mit seinem kantigen Kinn, den strubbeligen blonden Haaren und den blauen Augen nimmt die linke Seite des Bildschirms ein, während sein Vater – oder wohl eher sein Cêpan – Henri auf der rechten Seite erscheint. Allerdings sind es keine Fotos, sondern von einem Künstler angefertigte Bleistiftzeichnungen in schwarzweiß. Ich überfliege die Details, die ich bereits kenne – eine zerstörte Schule, fünf Tote, das plötzliche Verschwinden – und stürze mich direkt auf die ganz neu veröffentlichte Nachricht.
In einer aufsehenerregenden Aktion sind Ermittler des FBI heute auf die Ausstattung eines anscheinend professionellen Fälschers gestoßen. Verschiedene Geräte, die normalerweise für die Erstellung von Dokumenten verwendet werden, wurden im Haus von Henri und John Smith in Paradise/Ohio in einer Luke unterhalb der Dielenbretter im Hauptschlafzimmer gefunden. Die Ermittler befürchten eine Verbindung zum internationalen Terrorismus. Nachdem Henri und John Smith in der Gemeindevon Paradise erhebliche Unruhe verursacht haben, sind sie nun verdächtig, die nationale Sicherheit zu gefährden. Die Verdächtigen befinden sich auf der Flucht. Die Ermittlungsbeamten bitten um Hinweise, die Aufschluss auf den derzeitigen Aufenthaltsort der Gesuchten geben können.
Ich scrolle zurück zu Johns Bild. Als ich seinem Blick auf dem Foto begegne, beginnt meine Hand zu zittern.
Obwohl es nur eine Zeichnung ist, kommen mir seine Augen vertraut vor. Wie könnte ich mich an sie erinnern, wenn ich sie nicht auf der jahrelangen Reise gesehen hätte, die uns hierherbrachte? Jetzt kann mich niemand mehr davon abbringen, dass er einer der sechs übrig gebliebenen Garden ist, die in dieser fremden Welt noch leben.
Ich lehne mich zurück, puste mir die Ponyfransen aus der Stirn und wünschte, ich könnte mich selbst auf die Suche nach ihm machen. Natürlich sind Henri und John Smith dazu fähig, sich dem Zugriff der Polizei zu entziehen; elf Jahre lang haben sie sich versteckt gehalten, genau wie Adelina und ich. Wie könnte ich darauf hoffen, sie zu finden, wenn die ganze Welt nach ihnen sucht? Wie könnte irgendeiner von uns darauf hoffen, wieder mit den anderen zusammenzutreffen?
Die Augen der Mogadori sind überall. Ich weiß nicht, wie sie Eins oder Drei finden konnten, aber ich glaube, sie haben Zwei wegen des Blogeintrags aufgespürt, den er oder sie geposted hatte. Fünfzehn Minuten lang hatte ich überlegt, wie ich darauf antworten könnte, ohne mich selbst zu verraten. Obwohl der Eintrag an sich sehr merkwürdig war, schien er doch für uns Andere ganz offensichtlich:
Neun, jetzt acht. Seid ihr anderen irgendwo da draußen?
Die Nachricht war von einem Account mit der Bezeichnung
Zwei
verfasst worden. Meine Finger flogen über die Tastatur und schrieben eine kurze Antwort, doch gerade als ich sie online stellen wollte, erneuerte sich die Seite – jemand anderer war mir zuvorgekommen.
Wir sind hier , stand da.
Mit offenem Mund saß ich eine Weile völlig schockiert da. Angesichts dieser beiden Nachrichten keimte Hoffnung in mir auf. Doch gerade als ich einen neuen, anders lautenden Eintrag verfasst hatte, erschien ein helles Leuchten an meinem Fuß und das brutzelnde Geräusch von verbrennendem Fleisch drang an mein Ohr. Ein höllischer Schmerz überkam mich. Ich fiel zu Boden, wand mich vor Schmerzen und schrie aus Leibeskräften nach Adelina, während ich meinen Knöchel mit den Händen bedeckte, damit niemand etwas bemerkte. Als Adelina schließlich kam und ihr klar wurde, was passiert war, deutete ich auf den Bildschirm. Doch er war leer. Beide Einträge waren gelöscht worden.
Ich wende den Blick von John Smiths vertrauten Augen auf dem Bildschirm ab. Neben dem Computer steht eine kleine vergessene Blume. Sie wirkt müde und verwelkt, ist auf die Hälfte ihrer Normalgröße zusammengeschrumpft und an ihren Blättern hat sich ein brauner, trockener Rand gebildet. Einige Blütenblätter sind abgefallen und liegen nun verschrumpelt neben dem Blumentopf auf dem Schreibtisch. Noch ist die Blume nicht gestorben, aber sie ist kurz davor. Ich beuge mich nach vorn, lege meine Hände um sie und bringe mein Gesicht so nahe an sie heran, dass meine Lippen den Rand der Blätter berühren.Dann blase ich warme Luft auf sie. Ein eisiges Gefühl durchfährt meine Wirbelsäule und wie zur Antwort wird die
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