Die Macht der Seelen 1 - Finding Sky
den Angaben beruht, die du in deinem Anmeldeformular gemacht hast. Aber denk dran - da ist nichts in Stein gemeißelt. Wenn du Kurse wechseln möchtest, gib mir einfach Bescheid.« Er warf einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr. »Du hast die Registrierung versäumt, also bringe ich dich am besten zu deinem ersten Kurs.«
Sally gab mir einen Kuss und wünschte mir viel Glück. Von jetzt an war ich auf mich allein gestellt.
Mr Joe zog angesichts einer Gruppe trödelnder Schüler, die am Zuspätkommerbuch herumlungerten, die Stirn in Falten und trieb sie, wie ein Schäferhund eine Herde widerspenstiger Schafe, auseinander, bevor er mich zu dem Geschichtstrakt führte. »Sky, das ist ein hübscher Name.«
Ich wollte ihm nicht erzählen, dass Sally, Simon und ich ihn gemeinsam ausgesucht hatten, als ich vor erst sechs Jahren adoptiert werden war. Davor, als man mich gefunden hatte, war ich nicht in der Lage gewesen zu sagen, wie ich heiße, und nachdem ich jahrelang kein Wort gesprochen hatte, war ich von den Sozialarbeitern einfach Janet genannt worden. ›Einfach-Janet‹, witzelte einer meiner Pflegebrüder immer. Aus diesem Grund hatte ich den Namen umso mehr gehasst. Ein neuer Name hatte mir bei meinem Neuanfang mit den Brights helfen sollen; Janet war mein Zweitname geworden.
»Meinen Eltern hat er gefallen.« Und ich war damals noch zu jung gewesen, um absehen zu können, wie peinlich er gelegentlich in Kombination mit meinem Nachnamen sein würde.
»Er ist niedlich, fantasievoll.«
»Ähm, ja.« Mein Herz wummerte, meine Hände waren feucht. Ich würde das hier nicht vermasseln. Ich würde das hier nicht vermasseln.
Mr Joe öffnete die Tür.
»Mr Ozawa, hier ist die neue Schülerin.«
Der japanischstämmige Lehrer schaute von seinem Laptop auf, an dem er gerade Notizen auf dem digitalen Whiteboard bearbeitet hatte. Zwanzig Köpfe drehten sich in meine Richtung.
Mr Ozawa blickte über den Rand der halbmondförmigen Gläser seiner Lesebrille, eine Strähne seines glatten schwarzen Haares verdeckte ein Auge. Für einen älteren Typen war er recht gut aussehend. »Sky Bright?«
Ein Kichern ging durch die Klasse, aber ich konnte schließlich nichts dafür, dass mich meine Eltern damals bei der Wahl des Namens nicht gewarnt hatten. Wie immer hatten ihnen nur schillernd originelle Bilder vor Augen gestanden und nicht meine zukünftigen Höllenqualen in der Schule.
»Ja, Sir.«
»Ich übernehme, Mr Joe.«
Mr Joe gab mir auf der Türschwelle einen aufmunternden Stups und marschierte davon. »Und toitoitoi, Sky.«
Am liebsten hätte ich mich unter dem nächstbesten Tisch verkrochen.
Mr Ozawa klickte eine neue Präsentation mit dem Titel ›Der amerikanische Bürgerkrieg‹ an. »Du kannst dich hinsetzen, wo du magst.«
Ich konnte nur einen freien Platz ausmachen, neben einem Mädchen mit karamellfarbener Haut und Fingernägeln in Rot, Weiß und Blau. Ihre Haare waren umwerfend - eine Mähne kastanienbrauner Dreadlocks, die ihr bis über die Schultern fiel. Mit einem neutralen Lächeln ließ ich mich auf den Stuhl neben sie gleiten. Sie nickte und tickte mit ihren Krallen auf den Tisch, während Mr Ozawa Arbeitsblätter verteilte. Als er sich kurz wegdrehte, hielt sie mir ihre Hand hin. Sie streifte meine mehr, als dass sie sie schüttelte.
»Tina Monterey.«
»Sky Bright.«
»Ja, das hab ich mitgekriegt.«
Mr Ozawa klatschte in die Hände. »Okay Leute, ihr seid also die Glücklichen, die mehr über das Amerika im neunzehnten Jahrhundert erfahren wollen. Na ja, nach zehn Jahren Unterricht in der Mittelstufe gebe ich mich keinen Illusionen mehr hin und gehe davon aus, dass während der Ferien euer gesamtes Wissen aus euren Gehirnen getilgt worden ist. Also, dann fangen wir mal ganz einfach an. Wer kann mir sagen, wann der Bürgerkrieg begann? Und ganz recht, ich möchte auch gern den Monat wissen.«
Seine Augen wanderten suchend über die Klasse hinweg und alle zogen versiert die Köpfe ein. Schließlich blieb sein Blick an mir haften.
Mist.
»Miss Bright?«
Alles, was ich je an Wissen zur Geschichte Amerikas besessen hatte, verschwand wie bei ›Der Unsichtbare‹, wo der Mann Stück für Stück seinen Anzug auszog, bis nichts als Leere blieb. »Ähm, hier gab es einen Bürgerkrieg?«
Die Klasse stöhnte.
Das hieß dann wohl, dass ich das wirklich hätte wissen müssen.
Ich war froh, dass Tina mich unbeleckte Britin in der Pause nicht einfach im Regen stehen ließ, trotz der armseligen
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