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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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Hochzeitsmesse ordnete Father Michael den Altar, bevor er die Kapelle verließ und durch den Ballsaal ins Foyer hinüberging. Zum ersten Mal seit seiner Ankunft umfing ihn Stille. Er blieb einen Augenblick stehen, um das Porträt von Colette Duvoisin zu betrachten, das ihn schon gestern bei der Ankunft in seinen Bann gezogen hatte.
    Dies also war die Frau, mit der alles begonnen hatte. Ihre Schönheit war wirklich atemberaubend und einzigartig. Genau so hatte John sie ihm geschildert. Er war in Gedanken versunken und bemerkte Frederic erst, als dieser bereits neben ihm stand.
    »Sie war wirklich wunderschön«, sagte er.
    »Das ist wahr«, erwiderte Frederic. »In ein paar Jahren werden meine Töchter ihr nacheifern. Vor allem Yvette.«
    Frederic schmunzelte, als Father Michael ihn verwundert ansah. »Es ist nun einmal so, dass die Persönlichkeit die äußere Erscheinung beeinflusst. Yvette ist ihrer Mutter ähnlicher, als Jeannette das jemals sein wird. Colette besaß ein unglaubliches Feuer und eine klare Meinung, was ihre Überzeugungen und Unternehmungen betraf. Ihre Arbeit hätte ihr sehr imponiert.«
    Bevor Michael nachfragen konnte, hörten sie Schritte. Frederic sah sich um und erblickte John.
    Michael betrachtete die beiden Männer. Ihre Beziehung heilte nur langsam und war noch immer sehr fragil.
    Frederics Blick kehrte zu dem Porträt zurück. »Ich denke, es ist langsam Zeit, es abzuhängen.«
    »Nein, Vater«, widersprach John leise, »bitte, lass das Bild, wo es ist. Es gibt mir ein Gefühl der Sicherheit, wenn ich weiß, dass Colette über uns wacht.«
    In der Stille gewann der Satz zunehmend an Gewicht, bis Frederic den Bann brach. »Ich glaube, ich habe etwas in der Kapelle vergessen«, murmelte er und ging davon.
    John sah seinem Vater nach und schien tief in Gedanken.
    Michael schwieg lange. »Sollen wir zum Dinner gehen?«, fragte er schließlich.
    »Gehen Sie schon vor«, erwiderte John, ohne ihn anzusehen. »Ich komme in einer Minute nach.«
    Das Licht des Tages schwand langsam dahin, und in der Kapelle wurden die Schatten länger. Innerhalb der Mauern war es kühl. Frederic zündete die Kerzen auf dem Altar an, bevor er in der ersten Bankreihe niederkniete. Er vergrub sein Gesicht in den Händen und dankte Gott. Seine Gebete waren erhört worden. Wenn ihn sein Schöpfer in diesem Augenblick zu sich rief, konnte er in Frieden gehen … ohne schlechtes Gewissen. Er hatte alles getan, was ihm möglich war, um für seine vielen Fehler und Sünden zu büßen.
    In der Stille des heiligen Orts öffnete er sein Herz und seine Seele und hieß Elizabeth und Colette in Gedanken willkommen.
    Als sich eine Hand auf seine Schulter legte, sah er sich um und sah John hinter sich stehen. Er war überrascht, als sein Sohn sich zu ihm setzte.
    »Ich danke dir«, murmelte John nach langem Schweigen.
    Als Frederic sich umsah, begegnete er Johns ernstem Blick.
    »Wenn du nicht gewesen wärst, wäre ich jetzt tot.« John seufzte. »Als du den Anfall hattest, war es mir gleichgültig, ob du weiterleben oder sterben würdest. Ich wollte sogar, dass du stirbst. Nach allem, was ich dir angetan habe, hättest du mich auch einfach liegen lassen können … ja, mich liegen lassen müssen! Ich hatte deinen Beistand nicht verdient.«
    Frederic wandte sich wieder dem Altar zu und suchte lange nach den richtigen Worten. »Vor dreißig Jahren habe ich dich im Stich gelassen, John. Obwohl du unschuldig und hilflos warst, habe ich dich im Stich gelassen.« Er schluckte. »Ich bin mit dir nach New York gefahren, weil ich dich liebe, mein Sohn. Ganz gleich, was du mir jemals getan hast, ich wollte dich auf keinen Fall noch einmal enttäuschen.«
    Wieder schwiegen sie.
    »Damals in der Nacht habe ich Pierre gesehen«, flüsterte John nach langen Minuten. »Ich habe meine Mutter gesehen, und auch Colette. Ich war bei ihnen.« Er sah Frederic an. »Sie befinden sich an einem friedlichen Ort. Mutter lässt dir sagen, dass sie dich noch immer liebt. Und Colette … sie liebt dich auch.«
    Frederics Augen waren tränennass. »Ich liebe Colette, John.«
    »Das weiß ich, Vater. Jetzt weiß ich das.«
    Frederic konnte nichts mehr sagen.
    John erhob sich und legte seinem Vater tröstend die Hand auf die Schulter. Einen Augenblick lang blieb er so stehen, bevor er sich abwandte und die Kapelle verließ.
    Bei dem Dinner ging es an diesem Abend hoch her. Jeder Platz war besetzt, nur der Kopf und das untere Ende des Tisches waren noch frei.

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