Die Macht der verlorenen Zeit: Roman
sie energisch den Kopf. »Ich will Sie so nicht heiraten.«
Ihm war, als ob man ihm den Boden unter den Füßen wegzog. »Und warum nicht?«, stieß er hervor. »Warum denn nicht?«
Rebecca schluckte tapfer ihren Schmerz hinunter. »Ich will, dass Sie mich lieben . Ich könnte nicht leben, wenn Sie immer nur von Charmaine träumen. Sie sind doch nur hier, weil Sie Charmaine jetzt nicht mehr bekommen.«
»Nein, Rebecca, das ist nicht wahr. Ich schwöre, dass es nicht so ist.«
»Wirklich nicht?«
»Seit wir uns geliebt haben, kann ich nicht mehr klar denken. Anfangs war ich durcheinander, weil ich mich so sehr um meinen Bruder und Charmaine gesorgt habe. Außerdem war das, was zwischen uns geschehen war, so außergewöhnlich, dass es mich erschreckt hat. Selbst als ich wusste, dass John lebte, wurde es nicht besser. Erst heute Nacht, als ich allein in meinem Bett lag, habe ich begriffen, wie unglücklich ich bin. Aber ich war nicht unglücklich, weil ich Charmaine nicht bekommen habe, sondern weil du mir gefehlt hast. Du , Rebecca. Du bist die einzige Frau, die ich begehre.«
Er beugte sich zu ihr und küsste sie zuerst zart und vorsichtig und schließlich immer intensiver. Ihre Hände tasteten zu seinen Schultern und zogen ihn in ihre Arme. Abrupt hielt er noch einmal inne. »Sag mir jetzt, willst du mich heiraten?«
»Ja, o ja!« Schluchzend zog sie ihn zu sich herunter und küsste ihn voller Sehnsucht.
Pauls Vorsatz, bis zur Rückkehr ins Herrenhaus zu warten, löste sich blitzschnell in Luft auf, während sie sich die Kleider vom Leib rissen und einander mit aller Leidenschaft liebten. Als der Rausch vorüber war, zog er Rebecca in seine Arme. Sie schmiegte sich an ihn und seufzte vor Glück. Er fühlte ihre Tränen auf seiner Brust und empfand eine tiefe Zufriedenheit.
Montag, 14. Januar 1839
Am Morgen weckten sie das Geschrei der Möwen und strahlender Sonnenschein.
»Wir müssen aufstehen, sonst setzt Kapitän Conklin noch Segel und nimmt uns mit«, drängte Paul.
Rebecca lächelte zu ihm auf. »Was hat eigentlich deine Meinung über mich geändert?«
»Ich habe meine Meinung nie geändert«, bekannte er. »Ich glaube, ich habe dich von unserer ersten Nacht an geliebt.«
»Aber du hast mich ein kleines Mädchen genannt.«
»Aber du bist kein kleines Mädchen, Rebecca, sondern eine Frau … und zwar meine.« Er küsste sie leidenschaftlich. Dann seufzte er. »Ich hatte schon viele Frauen, aber keine hat solche Gefühle in mir geweckt, wie du das tust, und keine hat mich jemals so geliebt wie du. Ich war ein Narr, das alles von mir zu stoßen, nicht wahr?«
Ihre Arme schlangen sich um seinen Leib, und sie drückte ihre Wange an seine Brust. »Ich liebe dich schon lange … schon unendlich lange.«
Er küsste ihren Scheitel und presste sie an sich. Dann stand er auf, um sich anzuziehen. Rebecca schlüpfte wieder in die weite Hose und das Hemd, und Paul musste lachen.
»Ich habe Wade gebeten, heute Morgen zum Herrenhaus zu kommen. Wir müssen uns beeilen, wenn wir vor ihm dort sein wollen.«
Rebecca wunderte sich über die Bemerkung, stellte aber keine Frage.
Als sie das Schiff verließen, scharrte Alabaster mit den Hufen und hatte die Ohren angelegt. Rasch band Paul den Hengst los und tätschelte ihm entschuldigend den Hals. Dann stieg er auf und beugte sich hinunter, um Rebecca in den Sattel zu helfen. Als sie zögerte, ergriff er ihren Arm.
»Alle werden uns anstarren!«, widersprach sie.
»Sollen sie doch!« Er lachte.
Seine Worte rührten ihr Herz. Sie zog sich hoch und setzte sich hinter ihm in den Sattel, sie schlang die Arme um ihn, presste die Wange an seinen Rücken und war sicher, dass sie jede Sekunde aus ihrem Traum erwachen würde.
John und George standen auf der letzten Treppenstufe, als Paul und Rebecca das Haus betraten. Ein Blick auf Rebeccas ungewöhnliche Garderobe, und John lachte leise. »Was habt ihr denn so früh schon gemacht? Etwa eine kleine Wanderung durch die Natur?«
Rebecca senkte den Kopf, aber Paul legte den Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. »Wo ist Father Michael?«
Johns Grinsen wurde immer breiter. »Ist mein Bruder etwa endlich zur Vernunft gekommen?«
»Lass es gut sein, John«, warnte George, obwohl Paul immer noch lächelte.
»Du hast recht, John. Ich bin endlich aufgewacht. Rebecca und ich werden heiraten … und zwar noch heute Morgen, wenn das möglich ist.
»Na gut, Paulie, meinen Segen hast du.« Er streckte ihm die Hand hin, doch
Weitere Kostenlose Bücher