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Die Macht des Amuletts

Die Macht des Amuletts

Titel: Die Macht des Amuletts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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und die Musik, die er hörte, kam von einer leisen Flöte, weit entfernt und unheimlich, die geheimnisvoll hauchige Weisen spielte, eine wortlose Waldmusik. Die Geräusche des Jahrmarkts waren schwach; sie kamen ihm jetzt bizarr vor, grell und überscharf und verstimmt. Die Glockenspielklänge waren die Musik, die er sich wünschte, aber noch während er sich danach sehnte, verklangen sie und das Klirren der Moriskenglocken zerrte an seinen Nerven.
    Rowan stand dicht bei ihm und hatte eine Hand leicht auf seine Schulter gelegt. »Wähle«, flüsterte sie ihm ins Ohr. Blind nahm er ein Glockenspiel von der Stange und sah im Spiegel ihr Lächeln, ihre schimmernden Mondohrringe, während ihn von allen Spiegeln und Kerzenhaltern des Standes andere Gesichter zwischen Ästen und Ranken höhnisch beobachteten.
    Sie nahm das Glockenspiel und wickelte es in violettes Seidenpapier.
    »Es war eine gute Wahl, Mick«, sagte sie. »Hab keine Angst vor uns oder vor dem, was wir tun können.« Sie reichte ihm das Päckchen. »Hab viel Freude daran. Wir warten auf dich.«
    Der Lärm des Akkordeons quälte ihn. Er legte ein paar Münzen in ihre Hand.
    Als er davonging, schnell, um Katie nicht zu begegnen, bemerkte er Alex.
    Der Harfenist saß auf einem der Stühle unter den Bäumen; kurz begegneten sich ihre Blicke. Mick schaute weg; sofort rannte er los, bevor der Mann aufstehen konnte, drängte sich durch die Menge unter den Fahnen zum Parkplatz, nur weg.
    Den ganzen Nachmittag ging er irgendwo, nirgendwo. Er wanderte über den Rasen und tief in den Wald, durch die Rosenwege und den Kräutergarten, um den See, beobachtete, wie die Enten herabstießen und zu den Kindern schwammen, die sie mit Brot fütterten. Eine Stunde lang saß er im Treibhaus und ließ sich von der Feuchtigkeit durchweichen, während die großen Kakteen still in dem stickigen Schweigen standen und Fliegen in den weiß beschichteten Oberlichtern summten. Und während er da saß, schaute er hinunter auf seine Flöte, die in ihren Samtfalten glänzte.
    Alex wartete auf Katie bei der Schmiede. »Noch mehr Reparaturen?«, fragte sie grinsend, aber als er sie anschaute, wirkte er gedankenverloren, als hätte er sich an weit zurückliegende Dinge erinnert.»Ich wollte mit dir reden.«
    »Fang an.« Sie setzte sich ins Gras und verscheuchte Bienen. Er hockte sich neben sie.
    »Ist Rowan schon früher auf diesem Jahrmarkt gewesen?« Sie zuckte die Achseln. »Schon wieder sie. Ich glaube nicht. Dieses Jahr sind viele neue Leute da.« Er nickte und zerpflückte mit seinen langen Fingern Gras. »Es ist mir aufgefallen. Fremde. Jongleure. Akrobaten. Immer sind sie in der Nähe, immer hören sie zu.« Neugierig fragte Katie: »Du kennst sie, nicht wahr? Sag, bedeutet sie irgendwie Ärger?«
    Er stand auf, als hätte sie ihn erschreckt. »Ich habe es dir schon gesagt. Die ich kannte, war anders – sie hatte lange Haare, sie war älter. Zuerst war sie älter. Es ist nicht dieselbe Frau. Das kann nicht sein.«
    Er drehte sich um, doch fast sofort fuhr er wieder herum, die Sonne blinkte auf der kleinen Metallscheibe an seinem Hals. »Katie, was wünscht sich Mick am meisten auf der Welt?« Sie lachte. »Ein Musiker zu sein natürlich.« Er schwieg.
    »Da ist etwas, das du mir nicht sagst.« Ihre Blicke begegneten sich.
    Der Harfenist sah müde aus. In seinen Augen las sie eine Sehnsucht, die sie ängstigte.
    »Warne ihn«, flüsterte er. »Sag ihm, so leicht soll es nicht sein.«
    Mick schlug das Tor hinter sich zu.
    Im Licht des Spätnachmittags waren die Baumschatten lang; am Rand des Kornfelds lag schon Nebel. Die große goldene Fläche erstreckte sich vor ihm; rücksichtslos stürzte er sich hinein. Diesmal ging er achtlos geradeaus, drängte sich durch das brusthohe Getreide, stolperte über Furchen, brach die steifen Halme ab, bis um ihn herum das Korn flüsterte und wogte und in Aufruhr geriet, und er fühlte sich abgeschnitten von der Welt, von dem Jahrmarkt mit seinen grellen Geräuschen und Farben. Über seinem Kopf kreisten und kreischten Hausschwalben.
    Er nahm die Flöte aus dem Kasten. Sie war heiß, genau wie seine Hände, die Dampfstreifen hinterließen, als er das Mundstück aufsetzte, es drehte und an die Lippen hob. Die warme Berührung störte ihn.
    Dann endlich erlaubte er sich zu spielen, einen langen Triller der Erleichterung, und alle Töne pfiffen heraus, ein schneller, wilder Wutausbruch, musikalisch so vollendet und zuversichtlich, dass sein Herz raste

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