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Die Macht des Amuletts

Die Macht des Amuletts

Titel: Die Macht des Amuletts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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Es gab zu viele Fremde – zu viele Menschen hier bei Nacht, Lagerfeuer, die aufflammten und erloschen, Musiker, die niemand kannte. Seit Tagen waren sie angekommen, bis plötzlich das Feld von fremden Gesichtern zu wimmeln schien. Sehr sonderbare darunter.
    Sie überquerte den düsteren Parkplatz, öffnete das Tor und ging den Weg entlang. Ein langes gelbes Band war an Stöcken gespannt worden; jetzt flatterte es lose, doch sie kannte den Weg auch im Finstern. Die Wohnwagenlichter leuchteten durch die Bäume vor ihr.
    Der Pfad senkte sich in eine Mulde. Hier waren gewöhnlich blaue Glühbirnen aufgehängt, doch heute Nacht schienen sie nicht eingeschaltet zu sein. Die Mulde war dunkel und ein wenig steil. Katie machte zwei Schritte. Dann blieb sie stehen. Zwischen ihr und dem Wohnwagenplatz stand das Gehölz wie eine schweigende Versammlung von Bäumen. Sie holte langsam Luft. Schweiß kribbelte in ihrem Nacken. Die Bäume warteten auf sie.
    Sie wusste, dass ihr Unbehagen albern war. Sie konnte die Wohnwagenlichter sehen, doch der Wald wirkte wie eine plötzliche dunkle Bedrohung; sogar als sie sich zum Weitergehen zwang, wusste sie das. Etwas raschelte. Über ihr ertönte ein leiser, kunstvoller Pfiff.
    Katie schluckte und wanderte weiter. Die Bäume standen dicht; es waren zu viele, mehr, als es eigentlich sein sollten. Als sie zu den Lichtern kam, starrte sie ungläubig auf sie hinunter. Sie leuchteten nicht in den Wohnwagen. Ein Kreis aus Glühbirnen lag auf dem Waldboden wie eine Karikatur der Kornkreise; die Lichter, die den Pfad beleuchten sollten, waren heruntergerissen. Grün und rot und blau lagen sie da und warfen ihr grelles Licht auf Baumwurzeln, Farne und verstreute kleine weiße Gegenstände; Kate bückte sich und sah schaudernd, dass es Knochen waren. Dünne, sauber abgenagte Knochen. Etwas lachte an ihrer Schulter.
    Sie drehte sich um. Grausige Gesichter starrten sie an, sie hatten krumme Nasen, schielende Augen, Haare wie schwarzes Stroh. Rundum schaukelten und lachten unzählige von ihnen, ihre Augen funkelten.
    Entsetzt, mit verkrampften Händen stand Katie wie angewurzelt.
    Sie brauchte lange, doch schließlich streckte sie die Hand aus; sie zwang sich, ein Gesicht anzufassen, das sich an einer Schnur drehte. Ihr Rücken war eisig vor Schweiß. Alle Masken schauten sie an. Hinter ihren Augenschlitzen war nichts als Finsternis.
    Plötzlich rannte Katie los, sie raste den Pfad entlang und um sie herum knackte und kreiste etwas, das sie fast gegen den ersten Wohnwagen zu schleudern schien, den der Frobishers mit seinen bemalten Rädern.
    Da blieb sie atemlos stehen und schaute zurück in den aufgewühlten, rauschenden Wald.
    Angst war auf dem Jahrmarkt eingedrungen. Langsam hatte sie sich angeschlichen, doch jetzt war sie da. Katie spürte sie in ihrem Herzen hämmern, in allen Bäumen, die mit den spöttischen, wirbelnden Gesichtern behängt waren. Erst später in der Nacht, als sie sich in einem unruhigen Schlaf zusammengerollt hatte, kam die erstaunliche Erinnerung an die Oberfläche, riss sie aus dem Schlummer und ließ sie hellwach an die düstere Decke starren.
    Das Kabel mit den Glühbirnen war heruntergerissen, die Stromversorgung unterbrochen worden.
    Und doch hatten alle Glühbirnen geleuchtet.
     
    »Das schaffst du«, sagte Rowan beschwörend. Mick schaute zweifelnd hinauf zu den Fenstern der Wohnung hoch oben im Ostflügel. »Ich will es versuchen.« Sie tippte ihm auf den Arm. »Jetzt. Sag es ihm. Wir wollen dich bei uns haben.«
    Er wandte sich ab und ging ins Haus. Auf dem ganzen Weg durch die Korridore und die große Treppe hinauf spürte er sie noch bei sich zwischen den schwach beleuchteten Schalen mit Lavendelblüten: ein Schatten irgendwo vor ihm, den er in Fenstern und Bilderglas und Spiegeln erspähte, und als er am Damastzimmer vorbeiging, sah er sie dort im Mondlicht, wie sie entzückt die langen Falten der Seidenvorhänge am Himmelbett durch die Hände gleiten ließ.
    Leise öffnete er die Wohnungstür.
    Sein Vater saß vor dem Fernseher, die Füße auf dem Couchtisch. Vielleicht hatte er geschlafen; jetzt schaute er teilnahmslos zu Mick hinüber, der sich am Kühlschrank etwas zu trinken eingoss. »Du warst nicht beim Abendessen.«
    »Ich hatte auf dem Feld zu tun.« Mick log, aber das war ihm egal. Plötzlich war er selbst zum Denken zu müde und so durstig, als hätte er seit Tagen nichts getrunken. Er stellte das Glas auf den Tisch und drehte sich um. »Ich mache eine

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