Die Macht des Lichts
Frauenpaaren begleitet wurden, jedes Paar bestand aus einer Frau in einem grauen und einer in einem roten und blauen Kleid, das ein Blitzmuster aufwies.
Eine weitere Frau in Rot und Blau kam auf sie zu. In den Händen hielt sie etwas Silbriges. Adelorna schrie fassungslos auf, stemmte sich gegen die Abschirmung. Die Frau ging in aller Ruhe auf die Knie und ließ einen Silberkragen um Adelornas Hals zuschnappen.
Das konnte nicht geschehen! Das durfte nicht geschehen!
»Ah, sehr schön«, sagte die Frau in einem schleppenden Akzent. »Ich heiße Gregana, und du wirst Sivi sein. Sivi wird eine gute Damane sein. Das erkenne ich sofort. Lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet, Sivi.«
»Nein«, wisperte Adelorna.
»Ja.« Gregana lächelte zufrieden.
Und dann löste sich der Kragen völlig unerwartet von Adelornas Hals und fiel zu Boden. Einen Augenblick lang sah Gregana völlig verblüfft aus, bevor sie ein Feuerball verschlang.
Adelorna riss die Augen weit auf und wich vor der plötzlichen Hitze zurück. Vor ihr sackte eine Leiche in einem roten und blauen Kleid qualmend und nach verbranntem Fleisch stinkend zu Boden. Erst da wurde sich Adelorna einer außerordentlich mächtigen Quelle der Macht hinter ihr bewusst.
Die Eindringlinge schrien auf, die Frauen in Grau webten Abschirmungen. Das erwies sich als Fehler, denn ihre Leinen lösten sich, als peitschende Ströme aus Luft ihre Verschlüsse mit gauklerhafter Geschicklichkeit öffneten. Einen Herzschlag später verschwand eine der Frauen in Rot und Blau in einem Lichtblitz, während die andere von Flammenzungen eingehüllt wurde, und zwar mit einer Schnelligkeit, die an zubeißende Schlangen erinnerte. Sie starb schreiend, und ein Soldat rief etwas. Offensichtlich handelte es sich um einen Rückzugsbefehl, denn die Soldaten ergriffen die Flucht und ließen die beiden Frauen zurück, die von den Strömen aus Luft von ihren Leinen befreit worden und jetzt völlig verängstigt waren.
Zögernd drehte sich Adelorna um. Ein paar Schritte entfernt stand eine Frau in Weiß auf dem Schutthaufen, umgeben von einer gewaltigen Aura der Macht, den Arm in Richtung der flüchtenden Soldaten ausgestreckt. Ihr Blick war wild. Die Frau stand da wie die personifizierte Vergeltung, eingehüllt in einen Sturm aus Saidars Macht. Die Luft selbst schien zu leuchten, und ihr braunes Haar flatterte im Wind, der durch die Mauerlücke strich. Egwene al’Vere.
»Schnell«, sagte Egwene. Eine Gruppe Novizinnen kletterte über das Geröll und half Adelorna wieder auf die Füße. Erstaunt stand sie da. Sie war frei! Andere Novizinnen eilten los und ergriffen die beiden von der Leine befreiten Frauen in Grau - die seltsamerweise einfach dort knien blieben. Sie konnten die Macht lenken; Adelorna konnte das unmissverständlich wahrnehmen. Warum wehrten sie sich nicht? Stattdessen schienen sie zu weinen.
»Bringt sie zu den anderen«, befahl Egwene, stieg über die Trümmer und schaute durch die Lücke in der Wand. »Ich will…« Sie erstarrte und hob die Hände.
Plötzlich traten weitere Gewebe um Egwene zum Vorschein. Beim Licht! War das etwa Vorsas Sa’angreal in ihrer Hand, das weiße Zepter? Wo hatte Egwene denn das her? Lichtblitze zuckten aus ihrer geöffneten Hand und schossen durch die Öffnung, dann kreischte draußen etwas auf. Adelorna trat an ihre Seite und umarmte die Quelle; sie kam sich wie eine Närrin vor, weil sie sich hatte gefangen nehmen lassen. Egwene schlug erneut zu, und ein weiteres dieser fliegenden Ungeheuer stürzte in die Tiefe.
»Und wenn sie Gefangene tragen?«, fragte Adelorna und sah zu, wie eine der Bestien in Egwenes Flammen eingehüllt abstürzte.
»Dann sind diese Gefangenen tot besser dran«, sagte Egwene und sah sie an. »Glaubt mir. Ich weiß das.« Sie wandte sich den Novizinnen zu. »Alle weg von dem Loch. Diese Blitze könnten Aufmerksamkeit erregt haben. Shanal und Clara, ihr beobachtet diese Lücke aus der Ferne. Rennt zu uns, falls hier To’raken landen. Greift sie auf keinen Fall an.«
Zwei Mädchen nickten und nahmen ihre Positionen in den Trümmern ein. Die anderen eilten los und zogen die beiden seltsamen Frauen der Invasoren mit sich. Egwene schloss sich ihnen an, wie ein General hinter den Schlachtreihen. Und vielleicht war sie das sogar. Adelorna beeilte sich, den Anschluss nicht zu verlieren. »Nun«, sagte sie, »das habt Ihr hübsch organisiert, Egwene, obwohl es gut ist, dass jetzt eine Aes Sedai…«
Egwene erstarrte.
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