Die Macht des Schmetterlings
die Verhältnisse des Himalaya warm gewesen war, fing an, sich abzukühlen.
»Kuni an Basislager. Habt ihr was erreicht?«
»Bis jetzt nicht. Vielleicht hatte sein Flug Verspätung.«
»Noch fünf Minuten, dann muss ich mich auf den Weg machen.«
»Alles klar. Ende.«
Kuni zog ihren Windschutzanzug fester um sich und zupfte sich die Kapuze zurecht, sodass ihr Gesicht darin geborgen war. Wo war ihr Vater? Es sah ihm überhaupt nicht ähnlich, ein solches Ereignis zu verpassen.
56
Champlain, Washington D. C., USA
Shelton hatte bereits die Hälfte des Düngemittels aufgeladen. Methodisch hatte er die schweren Säcke auf die hintere Ladefläche des Transporters gehievt und sie einen nach dem anderen an den Wänden gestapelt. Sobald die inneren Seitenwände vollgestellt waren, begann er, eine Schicht quer über den Boden des Transporters auszulegen. Er stapelte eine solide Masse von mehr als einem Meter Höhe auf, genug, um die Sprungfedern des Transporters zum Knirschen zu bringen, als die Federung unter dem Druck des Gewichtes zusammengepresst wurde.
Da – ein Geräusch! Ein jähes Geklapper von draußen.
Shelton schaltete seine Stirnlampe aus und wartete mit rasendem Herzschlag, um herauszufinden, ob das Geräusch wiederkehren würde.
Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt für den Feind, um zuzuschlagen.
Shelton wagte einen Blick durch das schmierige Fenster und stellte fest, dass bereits der erste Glanz der Morgenröte im Osten zu erkennen war. Ein paar endlose Minuten lang stierte er konzentriert in die Waldung und achtete auf jede Bewegung, die einen Beobachter verraten hätte. Aber alles blieb still. Shelton kam zu dem Schluss, dass das Geklapper von den Mülltonnen herstammen musste, wo vermutlich irgendeine Art von Ungeziefer nach etwas Essbarem wühlte. Er schaltete seine Stirnlampe wieder ein und nickte befriedigt dem ordentlichen Stapel der Säcke mit Düngemittel zu. Dann zerrte er eine zweite wasserdichte Plane von einem weiteren Stapel. Diesmal legte er Blechkanister frei, von denen jeder mit zwanzig Litern Benzin gefüllt war.
Shelton hob den obersten Kanister vom Stapel und schwang ihn auf den Transporter.
57
Chinchewe, Malawi, Ostafrika
Noch immer stolperte Bakili mit seinem Bruder auf dem Rücken den Pfad hinunter, als er aus einiger Entfernung das Röhren eines Motors hörte. Ein Auto. Er musste es anhalten.
Er schleppte seinen älteren Bruder zur Straße hinunter und kauerte sich auf den Seitenstreifen, gerade als der Toyota mit Vierradantrieb vorüberraste. Eine Sekunde lang sah es aus, als würde der Fahrer nicht anhalten, doch dann trat er auf die Bremse und setzte im Rückwärtsgang bis zu den zwei Jungen zurück.
»Was ist hier los?«, fragte er durch das Fenster.
Bakili erkannte den Fahrer, es war einer der Arbeiter, die hier in der Nähe auf einer Papaya-Plantage beschäftigt waren. Aber Bakili war zu schüchtern, um zu sprechen.
»War er in einen Kampf verwickelt?« Der Fahrer stieg aus und nahm Bakili den nahezu bewegungslosen Körper ab.
»Er ist von einem Pavian gebissen worden.«
»Rede kein dummes Zeug.«
Dann sah der Fahrer sich die Wunde genauer an. »Es sieht allerdings nach einem Biss aus«, gab er zu. »Ich kann ihn in die Klinik fahren. Wo wohnst du?«
Bakili wies auf das nahe Dorf. Der Fahrer bettete Kamuzu sanft auf den Rücksitz.
»Steig ein«, sagte der Fahrer zu ihm. Bakili schloss kurz die Augen und überdachte die Situation. Jeglicher Instinkt befahl ihm, bei seinem verwundeten Bruder zu bleiben und zu versuchen, sich um ihn zu kümmern. Außerdem wusste er, dass die Paviane jetzt, wo sie Blut geleckt hatten, schlimmer sein würden als je zuvor. Bakili hatte immer Angst vor ihnen gehabt – noch mehr als Kamuzu –, und das Letzte, was er wollte, war, jetzt den Hügel zu diesem einsam gelegenen Feld hinaufzusteigen. Aber auf der anderen Seite kannte er seine Pflicht – und er wusste, dass seine Familie ohne den kostbaren Mais Hunger leiden würde.
»Ich kann nicht«, sagte das Kind. »Ich muss gehen und das Feld hüten. Wenn ich es unbewacht lasse, nehmen uns die Affen alles, was wir haben.«
»Ganz wie du willst. Ich fahre und frage im Dorf nach deiner Mutter.« Der Mann stieg wieder ins Auto ein und fuhr davon. Bakili hob den Stock seines Bruders auf und begann, den Hügel hinaufzusteigen. Sein Herz war erfüllt von Furcht.
58
Sauncy Wood, Wiltshire, Vereinigtes Königreich
Will riss das Gewehr nach oben und lehnte den Kolben
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