Die Macht des Schmetterlings
Aber es kam keine Antwort.
Langsam begann Kamuzu rückwärtszustolpern, zog sich das T-Shirt aus und presste das Kleidungsstück auf die Wunde, in dem Versuch, damit den Blutstrom aufzuhalten. Schon bald hatte er die Paviane aus den Augen verloren. Er schaffte es bis zu dem Pfad, der hinunter ins Tal führte. Bis dahin war das T-Shirt von seinem Blut durchtränkt, und Kamuzu wusste, dass er hier auf dem Feld nicht bleiben konnte – er musste sich Hilfe holen. Noch immer sprudelte das Blut aus der Wunde, mit einer Kraft, die ihn in Schrecken versetzte, während er zusah, wie sein Leben aus ihm herausfloss.
Dann kroch er auf allen vieren weiter und konnte schließlich die Straße sehen.
52
Sauncy Wood, Wiltshire, Vereinigtes Königreich
»Ich habe Durst. Lass uns nach Hause gehen«, beschwerte sich Jamie, der den düsteren Wald und die aussichtslose Jagd auf den Hirsch inzwischen hasste. Schon seit einer Ewigkeit hatten sie nichts Aufregenderes zu sehen bekommen als hin und wieder eine Amsel, und selbst die zog zu schnell vorbei, um auf sie zu schießen.
Will sah auf die Digitalanzeige seiner Armbanduhr. »So spät ist es noch nicht, wir haben noch stundenlang Zeit, ehe mein Vater zurückkommt.«
»Ja, aber ich brauche wirklich, wirklich etwas zu trinken.« Jamies Mund fühlte sich an, als hätte er eine Tüte Kalk geschluckt, und sein Speichel hatte sich unangenehm verdickt.
»Wir könnten die Fahrräder holen, schnell hinüber nach St. Ashborn fahren und uns eine Cola kaufen«, schlug Will ihm vor.
»Und was ist mit dem Gewehr?«
»Das verstecken wir.«
»Aber das ist ja meilenweit weg, und meine Beine sind jetzt schon erledigt.«
Jamie ließ sich schwer auf den Waldboden plumpsen und blinzelte, weil ihm lästige Schweißtropfen in die Augen rannen. Aus dem Nichts tauchten winzige Mücken auf und umschwärmten ihn, bis er ihre scharfen Stiche auf seinen Händen und an seinem Hals spüren konnte.
»Pass auf«, sagte Will, dem klar wurde, dass er etwas tun musste, um Jamie aus seiner Apathie zu reißen. »Wir gehen zurück zur Straße und schießen auf ein Schild.«
Jamie horchte auf. »Auf was für ein Schild?«
»Du weißt schon, auf eins von denen, die den Wildwechsel anzeigen. Die gibt’s da in rauen Mengen.«
Jamie rappelte sich wieder auf die Füße, sein Interesse war geweckt. »Werden die Kugeln es denn durchschießen können?«, fragte er.
»Und ob die das können. Die ballern das ganze Ding zusammen.«
Kichernd ging Will den Weg voran, der zurück zur Straße führte, und genoss den Gedanken an die bevorstehende Ziselierung. Er fragte sich, warum ihm die Idee nicht schon eher gekommen war.
Sie waren etwa fünf Minuten lang am Straßenrand unterwegs, als sie auf ein Schild stießen, das eine Geschwindigkeitsbegrenzung von dreißig Meilen pro Stunde verkündete.
»Du hast doch gesagt, hier gibt es Zeichen für Wildwechsel«, beschwerte sich Jamie, dem es aus irgendeinem Grund weniger reizvoll erschien, auf dieses Schild zu schießen.
»Und wo ist der Unterschied?«, wollte Will wissen. »Ich haue das Ding trotzdem um.«
53
An Bord der BA225, Flughafen Heathrow
Ren Hayashis Flug von Glasgow nach Heathrow war auf die Minute pünktlich gelandet. Die einstündige Flugdauer ließ der Crew kaum Zeit, Tee und Kaffee zu servieren, bevor die Boeing 737 zur Landung auf Heathrow ansetzte.
Jetzt, wo das Flugzeug sicher auf dem Boden stand, lehnte sich der japanische Geschäftsmann in seinem Sitz zurück und fragte sich gemeinsam mit dem Rest der Passagiere, warum das Flugzeug noch nicht an seinen Flugsteig geleitet worden war. Es juckte ihn in den Fingern, sein Handy einzuschalten.
Plötzlich erwachten die Lautsprecher mit einem Krachen zum Leben:
»Hier spricht Ihr Kapitän. Ich möchte Sie nur kurz über die Situation hier auf dem Laufenden halten. Sie haben wahrscheinlich bemerkt, dass wir uns während der letzten Minuten nicht bewegt haben. Die Maschine, die ihren Flugsteig für uns hätte räumen sollen, war zum Flug nach Edinburgh bestimmt, aber dieser Flug ist gestrichen worden. Also warten wir jetzt darauf, dass uns ein neuer Flugsteig zugeteilt wird. Ich bin sicher, Sie haben Verständnis dafür, dass auf dem Flughafen heute extremviel Betrieb herrscht und dass ich daher nicht viel tun kann, um die Sache zu beschleunigen. Sobald ich etwas Neues erfahre, gebe ich Ihnen Bescheid.«
Ren warf einen Blick auf seine Uhr und rechnete aus, dass es in Nepal inzwischen nach fünf Uhr
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