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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Minuten die Besinnung verloren, doch ihr Leib hatte nicht aufgehört, sich in kurzen Abständen rhythmisch zusammenzuziehen. In einer Mischung aus Hilflosigkeit und Faszination sah er, dass bei der nun einsetzenden Wehe der Kopf des Kindes herausgeschoben wurde. Dann kam wieder alles zum Stillstand.
    »Es hat aufgehört«, flüsterte Pasquale tonlos. »Es ist stecken geblieben! Sie ist tot!« Er schluckte heftig. »Wir müssen das Kind herausziehen.«
    »Schlag dir diesen Unsinn aus dem Kopf«, versetzte Vittore. »Du würdest diesem winzigen Ding nur den Kopf abreißen. Lass es in Frieden mit seiner Mutter sterben. Seine Anima ist sicher schon beim Herrn.« Er bekreuzigte sich flüchtig.
    »Wir müssen etwas tun!«, widersprach Pasquale.
    »Wir könnten endlich zurück zur Riva gehen und heimfahren«, schlug Vittore vor. »Morgen früh werden die Anwohner dieses Hofs sie finden und einen Pfaffen holen. Der wird für ein anständiges christliches Begräbnis sorgen.« Stirnrunzelnd hielt er inne. »Auch wenn natürlich kein Mensch weiß, zu welchem Gott sie gebetet hat.« Erklärend fügte er hinzu: »Sie sieht anders aus als alle Weiber, die ich bisher in dieser Stadt habe herumlaufen sehen.«
    »Halt’s Maul«, sagte Piero grob. Er beugte sich über das Mädchen und brachte seine Augen dicht an ihre Lippen. Wenn er irgendwo ihren Atem würde spüren können, dann an der empfindlichen Haut seiner Lider. Doch da war nichts, kein Hauch.
    Seine Finger zitterten, als er beide Hände zugleich an den Hals des Mädchens legte, um dort mit den Fingerspitzen nach einem Herzschlag zu tasten. Er konnte nichts fühlen. Pasquale hatte Recht, sie musste tot sein. Doch plötzlich hörte er, wie sie stöhnte und dann Luft holte, ein schwaches Geräusch, aber unverkennbar ein Atemzug.
    »Seht!«, schrie Pasquale. »Es geht weiter!«
    Der hochgewölbte Leib der Schwangeren spannte sich ein letztes Mal, und im nächsten Moment glitt in einer Fontäne aus Fruchtwasser und Blut das Neugeborene vollständig aus dem Körper des Mädchens heraus. Es fing sofort an zu schreien, es war ein dünner, quäkender Laut.
    »Es lebt!«, schrie Pasquale überflüssigerweise.
    Die Geburt war vorbei, aber die Frau war tot. Sie hatte im selben Augenblick aufgehört zu atmen, als ihr Kind auf die Welt gekommen war.
    Vittore stieß einen Fluch aus, der an Gotteslästerlichkeit nicht zu überbieten war. Er stemmte sich hoch und trat einen Schritt zurück. »Jetzt sollten wir wirklich verschwinden. Stellt euch vor, es kommt jemand. Zum Beispiel die Schergen der Signori di Notte . Sie werden uns endlose Fragen stellen. Am Ende glauben sie gar, wir hätten das arme Ding erstochen!«
    »Maestro, bitte, das können wir nicht machen!«, rief Pasquale.
    »Seid still. Wenn ihr weiter so herumbrüllt, kann es nicht lange dauern, bis tatsächlich jemand hier aufkreuzt.« Piero streckte die Hand aus. »Gib mir dein Wams«, befahl er Vittore.
    »Ich? Wieso?«, protestierte dieser. »Es ist meines!«
    »Du bekommst es wieder. Jetzt gib es her. Ich weiß, dass du noch mindestens zwei Hemden darunter anhast, also stell dich nicht so an!«
    Murrend tat Vittore wie ihm geheißen. Halb ungläubig, halb erbost sah er zu, wie sein Meister das Neugeborene zwischen den Schenkeln der Toten hervorzog und in das Wams legte.
    Piero zog sein Messer aus der Scheide an seinem Gürtel und durchtrennte die Nabelschnur, genauso, wie er es erst letzte Nacht beobachtet hatte. Der verdrehte Strang pulsierte nicht mehr. Dennoch schnitt er ein Stück von den Lederschnüren des Wamses ab und achtete nicht auf Vittores empörtes Schnauben, während er den Nabelstumpf abband.
    »Was ist es denn?«, wagte Pasquale zu fragen. Er hielt immer noch die Fackel, aber mit weit ausgestrecktem Arm, denn er hatte sich zwei Schritte zurückgezogen. Ebenso wie Piero schien er instinktiv zu wissen, dass die junge Frau im selben Moment gestorben war, als ihr Körper das Kind hinausgestoßen hatte.
    »Ein Mädchen«, sagte Piero knapp.
    Während sie eilig durch die nächtlichen, vom Karnevalstreiben erfüllten Gassen gingen, sagte Piero sich, dass es nur der Körper der Frau war, den sie in dem Hof zurückgelassen hatten. Ihre Seele war längst bei Gott. Sie konnten nicht wagen, sie in eine Kirche zu tragen oder zu den Ordnungshütern zu gehen. In dem Punkt hatte Pasquale völlig Recht, ein derartiges Vorgehen würde nur endlose Fragen nach sich ziehen. Schon mehr als einmal hatte die Signoria einen

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