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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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vielleicht auch erst morgen«, antwortete der Alte. »Aber eines weiß ich gewiß: Den Schnee werde ich nicht mehr sehen. Und nun geh, Thormod. Deine Augen sind hart geworden. Ich bin froh, daß wir uns nicht wiedersehen werden.«
    Als der Mann gegangen war, fragte Björn, wer er sei und woher Gris ihn kenne.
    »Er glaubt, daß ich sein Vater bin, so hat es ihm seine Mutter erzählt«, antwortete der Weise. »Ich aber weiß es besser, deshalb dulde ich es nicht, daß er mich Vater nennt.« Außerdem, meinte Gris, sähe ihm Thormod nicht im geringsten ähnlich - eine Behauptung, die der üppige Haarwuchs des Alten nicht nachzuprüfen erlaubte.
    Thormod, erzählte Gris weiter, besitze in der Stadt am Ende der Förde ein Haus und habe es als Händler zu Reichtum gebracht. Aber er sei den alten Göttern untreu geworden; nur vor weiten und gefahrvollen Reisen pflege er sich ihres Beistands zu versichern. Neuerdings trüge er eines jener Amulette, die von geschickten Silberschmieden so gefertigt seien, daß man sie ebensogut für ein Kreuz wie für Thors Hammer halten könne.
    Gris war früher oft in der Stadt gewesen, er erinnerte sich sogar,noch an die Zeit, als sie schutzlos Überfällen vom Land oder vom Wasser her preisgegeben war und die Bewohner auf einen nahe gelegenen Hügel flüchten mußten, wenn Gefahr drohte. Er war dort, als der Schwedenkönig Knuba und dessen Söhne den ersten Wall aufschütten ließen, und er war dabei, als die Sachsen und wenig später die Dänen die Stadt eroberten. »Wenn es dir jetzt auch nicht sehr wahrscheinlich vorkommen mag«, sagte er zu Björn, »damals nahm ich es mit zwei Gegnern zugleich auf, und vier waren nötig, mich zu bezwingen und gefesselt vor König Gorm zu bringen, damit er entscheide, was mit mir geschehen sollte.« »Wie entschied er?«
    »Gorm nahm mir eigenhändig die Fesseln ab, gab mir mein Schwert zurück und ließ mich aus seinem Horn trinken. Er war der edelmütigste von allen Königen, denen ich begegnet bin.«
     
    So verbringen sie viele Wochen miteinander in der Höhle unter dem Eschenstumpf. Längst hat der Winter den bunten Laubteppich mit einer dicken Schneeschicht zugedeckt, und es wird nicht mehr lange dauern, bis das Eis der Förde mit lautem Krachen zu bersten beginnt. Gris erwartet stündlich den Tod, und jeden Abend, wenn Björn ihn verläßt, nehmen sie Abschied, als würden sie einander nie wiedersehen. Dann kann es vorkommen, daß der Alte leise schluchzt und Tränen aus dem Auge wischt. Aber am nächsten Morgen sieht Björn ihn wieder am Feuer sitzen, mürrisch und mit den Göttern hadernd, weil sie ihn abermals das Tageslicht erblicken ließen. Inzwischen versteht sich Björn darauf, den Weisen von seinen düsteren Gedanken abzulenken, indem er vorgibt, dieses oder jenes nicht verstanden zu haben, oder Fragen stellt, die den Greis zu weitschweifigen Erklärungen verlocken. Und bereits nach den ersten Worten lebt er auf, sein Atem bläht den Haarschleier, seine Hände vollführen immer ausgedehntere Gebärden, und je mehr er sich der Lust des Erzählens hingibt, desto weniger gleicht er einem Sterbenden. Björn erfährt von ihm vieles über Götter, Riesen, Zwerge und Trolle, er lernt Zaubersprüche, glückbringende undsolche, die Schaden stiften, er wird in das Geheimnis der Runen eingeweiht, in der Deutung des Vogelflugs und der Wolkenbildung unterwiesen - nur die Stadt erwähnt der Weise selten. Er weicht aus, wenn Björn ihn danach fragt, und er gerät in Zorn, wenn er auf einer Antwort besteht. Einmal sagt er: »Sie ist voll von Menschen, und mit jedem Tag werden es mehr. Wo viele Menschen beisammen sind, wächst das Böse in jedem einzelnen.«
    Gegen Ende des Winters fand Björn den Weisen eines Morgens leblos neben dem schwelenden Feuer liegen. Zuerst glaubte er, der Alte sei nun endlich von den Göttern erhört worden. Als er sich aber über ihn beugte, sah er, daß er noch atmete. Björn bedeckte ihn mit Laub und blies in die Glut, bis das Feuer wieder aufloderte. Dann lief er zum Hof, stahl Bosi zwei seiner besten Felle und hüllte den Alten damit ein. Tagelang lauschte er den schwachen Atemzügen des Weisen, stets bangend, der eben gehörte könnte der letzte gewesen sein, und immer wieder erfreut, wenn diesem ein nächster folgte. Gris schlief so fest, daß Björn ihn nicht zu wecken vermochte. Auch Hugin schlief. Der Rabe hockte mit gespreiztem Gefieder auf der Schulter des Weisen und hatte den Schnabel unter eine seiner Schwingen

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