Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA
Palermo ein Theaterstück in sizilianischem Dialekt aufgeführt, das den Titel trug:
I mafiusi della Vicaria
(Vicaria war das alte Gefängnis der Stadt). Doch in dieser volkstümlichen Komödie, die Gaspare Mosca geschrieben und Giuseppe Rizzotto 1863 erfolgreich inszeniert hatte, kam »Mafiosi« nur im Titel vor.
4. Wo ist die Mafia entstanden?
In den Latifundien der Provinzen im Inselinnern, in Palermo und vor allem in den ländlichen Gebieten rund um die Stadt: in den Zitronen- und Orangengärten der Ebene von Palermo, die einst Conca d’Oro, Goldenes Becken, genannt wurde, aber auch im gesamten Küstenstreifen von Cefalù bis zur Westspitze Siziliens. Dort war die Mafia, wie die Präfekten in ihren Berichten Ende des 19. Jahrhunderts schrieben, »in den Sitten und Gebräuchen verwurzelt und wurde mit dem Blut vererbt«.
Ihre Ursprünge liegen also vor allem im Großraum Palermo und in den Latifundien, von denen sich im Lauf der Jahrzehnte die Barone, Grafen und »Ritter« zurückzogen. An ihrer Stelle schwangen sich die
campieri
(Feldhüter) und
soprastanti
(Aufseher) zu Herren auf. Sie standen zwischen den Landbesitzern und den Halbpächtern
(mezzadri)
und wurden dafür bezahlt,dass sie die Interessen der Aristokraten gegen die Bauern verteidigten, die das Land für sich beanspruchten.
»Von Polizzello aus wird ganz Sizilien verteidigt.« Dieser Schlachtruf erscholl noch Mitte des vorigen Jahrhunderts über die ganze Insel. Polizzello war ein Latifundium an der Grenze zwischen den Provinzen Palermo, Agrigent und Caltanissetta. Mit der großen Landreform von 1950 waren die Feldhüter von Mittelsmännern zu Landbesitzern aufgestiegen. Etwa 500 000 Hektar sizilianischen Bodens waren in die Hand der Familien Genco Russo und Vizzini im Inselinnern, Di Carlo in der Provinz Agrigent und Licari in der Provinz Trapani gelangt. Die Caruana und die Cuntrera aus Siculiana waren die Feldhüter des Barons Agnello und Francesco Messina Denaro Feldhüter der D’Alì aus Trapani gewesen. Die Familie des Bosses Michele Greco betreute die Ländereien der Adelsfamilie Tagliavia und eignete sich dann ihren Grundbesitz einschließlich des Guts Verbumcaudo an: 130 Hektar, die vom Madonien-Gebirge bis zum Fluss Imera hinunterreichten. Auch Luciano Liggio war Feldhüter gewesen und hatte das Gut Strasatto bei Corleone verwaltet.
Die Adligen waren inzwischen alle in die Stadt gezogen und verprassten dort ihr Vermögen. In Palermo hatten sie Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre damit begonnen, ihre Ländereien mit herrlichen Villen aus dem 18. Jahrhundert zu verscherbeln – Bauland für aufstrebende Mafiosi im Tausch gegen Bargeld, das die mittlerweile völlig verarmten Barone so dringend benötigten. Hier entstanden dann die Mietskasernen der Mafia.
5. Was ist ein Ehrenmann?
Der Ehrenmann ist wie eine Spinne. Das ganze Leben lang spinnt er, knüpft er Netze von Freundschaften, Gefälligkeiten, Erpressungen und Bekanntschaften. Die Ehrenmänner betrachten sich als Repräsentanten einer kriminellen Elite und fühlen sich gewöhnlichen Kriminellen überlegen: Ihnen ist klar, dasssie die allerschlimmsten sind. Sie leben in einer geschlossenen Welt mit festen Regeln, die sie strikt einhalten müssen. Wer in die Cosa Nostra eintritt, kommt nicht mehr heraus. Die Cosa Nostra verlässt man nur als Toter.
6. Wie wird man ein Ehrenmann?
Einige werden erwählt, anderen ist es vorbestimmt. Einige werden in die Cosa Nostra aufgenommen, weil sie die Eigenschaften unter Beweis stellen, die für eine Mitgliedschaft in der Geheimorganisation erforderlich sind, andere folgen mit ihrem Beitritt einer Familientradition. Leonardo Messina, einem Ehrenmann aus der Provinz Caltanissetta, war es vorherbestimmt. »Ich vertrete die siebte Generation, die der Cosa Nostra angehört. Es war mir vom Schicksal vorherbestimmt, in meinem Heimatort San Cataldo eine wichtige Persönlichkeit zu werden. Und in gewisser Weise bin ich es ja auch geworden«, erzählte Messina im Sommer 1992, als er sich von der Mafia lossagte.
Die Ehrenmänner sind umgeben von ihren Leuten: einer Schar von Helfern und Unterstützern, die der Cosa Nostra von außen dienen. Sie sind die
avvicinati
, die Angesprochenen, all jene, die früher oder später in die Organisation eintreten könnten.
Über einen langen Zeitraum hinweg, der je nach Person zwei, zehn oder auch fünfzehn Jahre dauern kann, wird der
avvicinato
begleitet, beobachtet und unterwiesen, nach allen
Weitere Kostenlose Bücher