Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Titel: Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Attilio Bolzoni
Vom Netzwerk:
er ausführlicher als alle anderen Zeitungen darüber. Und die Reaktion? Eigentlich hätte die Hölle losbrechen müssen, aber nichts geschah. Es herrschte Schweigen.
    Baldessarro war auch der Einzige, der den ehemaligen Europaabgeordneten der UDEUR, Armando Veneto, öffentlich anprangerte. Der Anwalt soll Leuten, die dem Clan der Pesce-Bellocco aus Rosarno nahestanden oder angehörten, ausgeklügelte Verteidigungsstrategien empfohlen haben, um Vergünstigungen – Strafaufschub oder Haftentlassung – zu erhalten. Diese Ratschläge hatte er nur aufgrund seiner intimen Kenntnis der Rotationsverfahren bei den Haftrichternund den Richtern am Strafvollstreckungsgericht erteilen können. Veneto war schon ein paar Jahre zuvor in die Schlagzeilen geraten, als er die Grabrede für den Boss Gioacchino Piromalli senior gehalten hatte.
    Nur: Wenn du wirklich einen Scoop, eine exklusive Meldung, landest, passiert in dieser tauben Stadt – gar nichts. Du bleibst isoliert. Dein Ruf verhallt im leeren Raum. Du hörst das Echo und danach das bedrückende Geräusch der Stille. Doch Giuseppe Baldessarros Berichte waren den Mafiagruppen, der Politik und gewissen Freimaurerkreisen schon immer ein Dorn im Auge.
    Deshalb schickte man ihm den Brief mit den Gewehrpatronen, dazu die Warnung: »Bis hierher und nicht weiter.« Eine deutliche Botschaft. Klar und unmissverständlich.
    Was Michele Albanese und Angela Corica passiert ist, gestern Filippo Maria Cutrupi und mir selbst und heute Peppe Baldessarro sehe ich als ein Zeichen dafür, dass etwas im Gange ist.
    Ihr erkennt es nicht, ich schon.
    Die derzeitigen Einschüchterungen markieren einen tiefen Graben. Sie zeigen eine Schranke auf, eine Grenze, eine Sperre. Es ist eine Grenzziehung gegenüber uns, gegenüber der Berichterstattung über diese Region. Mit einer Bombe vor der Generalstaatsanwaltschaft wurde diese Grenze auch den Richtern und Staatsanwälten von Reggio Calabria aufgezeigt.
    Die Botschaft richtet sich an alle.
    Doch wer diese Linie überschreitet, kämpft nicht allein, sondern gemeinsam mit anderen zur Verteidigung von unser aller Würde. Wer diese Linie überschreitet, ist weder draufgängerisch noch gewissenlos.
    Wer diese Linie überschreitet, sagt laut und deutlich, auf welcher Seite er steht.
     
    Aus Antonino Monteleones Blog, Reggio Calabria,
    23. Februar 2010
     
    Als Korrespondent einer großen Zeitung ist es nicht weiter schwer, an einen Ort zu fahren, eine Mafiageschichte zu erzählen und am nächsten Tag wieder abzureisen. Etwas völlig anderes ist es, tagtäglich aus der sizilianischen, kalabrischen oderkampanischen Provinz zu berichten: über den korrupten Bürgermeister, über den Mafioso gleich nebenan, über diesen Killer oder jenen Drogenschmuggler, mit dem man als Kind die Schulbank gedrückt hat, über den raffgierigen oder mafiosen Politiker, der der Freund deiner Verwandten, der Schwager deiner Mutter oder der Cousin deines Cousins ist. Und das alles für eine Handvoll Euro. Diese namenlosen Reporter werden pro Artikel bezahlt, und ihnen kann jederzeit unter irgendeinem Vorwand gekündigt werden. Das ist die Situation in den kleinen Städten Süditaliens. Man braucht Mut, viel Mut, um anständigen Journalismus zu machen. Diese jungen Reporter haben oft Schwierigkeiten mit ihren Chefredakteuren und Herausgebern. Aber auch mit ihren Kollegen, die sie als fanatisch und unvorsichtig betrachten. Die Journalisten an der Zeitungsfront Süditaliens lassen sich in zwei Kategorien einteilen: die »Vorsichtigen« und die »Unvorsichtigen«. Apropos unvorsichtig: Vielleicht ist in diesem Zusammenhang eine Geschichte aufschlussreich, die mir vor zweiundzwanzig Jahren widerfahren, aber doch von allgemeinem Interesse ist, wenn man bedenkt, was zu der Zeit in Sizilien los war.
    Am 16. März 1988 wurden in Palermo der Journalist Saverio Lodato von der Zeitung
L’Unità
und ich verhaftet und sieben Tage lang in einem Hochsicherheitsgefängnis festgehalten. Auch wir waren unvorsichtig gewesen. Die Anklage lautete auf »Beihilfe zur Unterschlagung im Amt«.
    Wir hatten in unseren Zeitungen
La Repubblica
und
L’Unità
die Enthüllungen Antonino Calderones über die Beziehungen zwischen Mafia und Politik, Geheimdiensten und Großunternehmern veröffentlicht. Laut Anklage waren die Fotokopien dieser Aussageprotokolle Eigentum des Staates, das wir uns widerrechtlich angeeignet hätten. Darauf gründete sich der Vorwurf der Beihilfe zur Unterschlagung im Amt. Den

Weitere Kostenlose Bücher