Die Mafia kommt zur Geisterstunde
liegt so — ja, da gibt es nur einen Fluchtweg: Raus aus der Stadt.
Die umgekehrte Richtung wäre Wahnsinn. Da kämen wir am Polizeipräsidium vorbei
und überhaupt: Wir säßen sofort in der Falle. Daß ihr beide samt Beute mit dem
Campingwagen zurückzuckelt — damit rechnet kein Bulle. Gut, gut! Bin dafür.
Können wir machen.“
„Ich freue mich aufrichtig, Dieter“,
sagte Bink, „daß wir zusammenarbeiten. Ich habe ein gutes Gefühl dabei.“
„Ich mache es wegen Nicole. Ihr
zuliebe, ja. Und weil ich Geld brauche, das ich dann in meine Pläne stecke.“
Bink glühte vor Wißbegierde. Er war
nicht kleiner als Manowsky, schien aber zu ihm aufzublicken wie ein Frosch zur
Giraffe. Und sein Benehmen war so seifig, man hätte darauf ausrutschen können.
Der Frau fiel das nicht auf. Sie kannte
Bink als Softi, der erst dann Härte zeigte, wenn es darauf ankam. Ein so wilder
Kerl wie Mano war er freilich nicht.
Manowsky hatte ein breites, hartes
Vorstadtgesicht, das täglich im Fitneß-Studio unter künstlicher Sonne bräunte.
Er war blond, färbte aber seine Haare noch blonder. Als Bodybuilder hätte er
zur Landesmeisterschaft antreten können. Seine Muskeln waren so gewaltig, daß
sie sich gegenseitig behinderten. Jeder beanspruchte zuviel Platz für sich. Ein
gewaltiges Kreuz füllte seine Lederjacke. Auch auf seine Goldzähne war er
stolz. Beim Lachen zeigte er sogar die Backenzähne.
„Nicole hat schon angedeutet“, sagte
Bink, „daß du gewisse Pläne hast, lieber Dieter. Wohl was ganz Großes, ja? Oder
willst du nicht darüber reden?“
Manowsky hatte zwei Cognac getrunken
und leckte sich mit der Zungenspitze den linken Mundwinkel aus. Wie ihm dieser
Schleimi auf den Geist ging! Aber der Kaufhaus-Coup war gut.
„Unter uns gibt es keine Geheimnisse“,
erklärte er großartig und griff wieder zur Flasche. „Was ich verwirklichen
werde, hat geschichtliche Ausmaße. Es wird das Reich der Bodybuilder sein - jedenfalls
eine Kette von Studios. Mit mir als Boss. Verstehst du, Dieter? Das wird
ungeheuer. Erst gehören mir alle Studios hier in der Stadt. Dann im Land. Dann
in der Bundesrepublik. Schließlich in Europa. Nicht von heute auf morgen läßt
sich das verwirklichen. Aber ich weiß, daß ich ‘s schaffe. Es ist zu schaffen.
Dafür gibt es Beispiele. Lebensmittelketten, so international wie die
Bedürfnisse. Hotelketten, rund um den Globus. Restaurants — auch rund um den
Globus und überall mit dem gleichen Fraß. Und schließlich meine Fitneß-Studios.
Weltweit nur Manos Kraft-Studios. Du verstehst? Wer sich fit macht — macht ‘s
in meinen Studios. Wer eine Hantel anfäßt — es wird eine Hantel von mir sein. Wer ein Aufbaumittel
säuft oder frißt — es trägt meinen Namen. Klar?“
„Gigantische Idee“, nickte Bink. „Ich
bewundere dich. Und du bist der Mann, der das schafft. Nicole, ich kann dir nur
gratulieren zu deinem Freund. Du weißt auch schon, Dieter, wie du das
verwirklichen willst?“
Manowsky trank seinen Cognac,
unterdrückte einen Rülpser und knetete nachdenklich an seinem rechten
Brustmuskel, der gerade noch in einem Hemd der Größe 56 Platz fand.
„Nun, jedes meiner Vorbilder“, erklärte
er, „hat klein angefangen. Erst einen Betrieb, dann den zweiten, den dritten...
Und immer weiter. Es wächst. Und wo viel ist, entsteht noch viel mehr...“
„Aber das verschlingt Unsummen und kann
deshalb lange dauern“, wagte Bink einen Einwurf.
„Richtig. Es geht nur mit Methode.
Meine Methode ist die: Zunächst reiße ich mir die Studios unter den Nagel, die
es schon gibt. Ich boote die derzeitigen Besitzer aus. Das geht nicht ohne
Gewalt. Aber“, er lachte wie ein Wasserbüffel, „Gewalt ist meine Spezialität.
Ich stelle die Typen vor die Wahl: Entweder sie arbeiten als meine Angestellten
— oder sie erleben ihr blaues Wunder. Als Angestellte sollen sie gut verdienen.
Aber sie haben kein Mitspracherecht. Ich bin der Boss.“
„Ich gewinne Durchblick“, freute sich
Bink. „Du wendest die amerikanische Gangstermethode an: Entweder der Betrieb
wird dein, oder du zerstörst ihn.“
„Genau. Und damit jeder dieser
Armleuchter weiß, was die Stunde geschlagen hat, lasse ich ihn in dem Glauben,
hinter mir stünde die Mafia. Ich wäre nur deren Handlanger.“
„Aha! Ausgezeichnet. Aber wieso ist das
gut?“
„Weil sich dann keiner getraut, die
Bullen um Hilfe zu bitten. Daß man die Mafia nicht vernichten kann, weiß doch
jeder. Aber wo man ihr Widerstand
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