Die Mafia kommt zur Geisterstunde
zurück.
Der Aprilabend füllte die Straße. Es
regnete nicht mehr, aber Schwaden zogen umher wie Gespenster. Viele Fenster der
alten Häuser waren erleuchtet. An einem, im Obergeschoß über dem
Lebensmittelgeschäft, stand Gaby und sah ihnen nach. Tarzan winkte, aber sie
schien es nicht zu bemerken.
Am liebsten, dachte er, wäre ich noch
dort geblieben. Aber die Glockners, zum Henker, haben auch Anspruch auf ein
Familienleben, ohne uns als fünfte Räder am Wagen. Willi hat mal wieder in sich
reingeschaufelt, als wäre es das letzte Gulasch vor der großen Hungersnot. Man
kann den Glocknerschen Langmut nur bewundern.
„Jetzt ein Stück Schokolade“, seufzte
Klößchen, „und ich wäre der glücklichste Internatsschüler der Welt.“
„Ich weide mich an deinem Unglück, du
Freßsack“, sagte Tarzan. „Hast du nicht bemerkt, wie Herr und Frau Glockner
sich zurückhielten, nur damit du satt wirst.“
„Wirklich? Es war doch genug da.“
„Genug für fünf. Mit dir waren wir
neun. Du hast viermal deinen Teller hingehalten, was im übrigen kein Benehmen
ist. Was rede ich! Du lernst es nie. Außerdem müßtest du täglich 1000 Zentner
bewegen, um deine Kalorien zu verbrauchen.“
„Dann bin ich ja auf bestem Weg. 135
Zentner habe ich vorhin... Ach so.“
Er klappte den Mund zu und schwieg in
den Fahrtwind, während Karl auflachte. Aber er sagte auch jetzt nichts.
Fünf Minuten später verlangsamte Tarzan
das Tempo.
„Kids, seht mal links in die
Seitenstraße. Was leuchtet da so neonstark? Manos Kraft-Center. Fahren
wir mal vorbei.“
Es befand sich in einem schäbigen
Geschäftshaus, inmitten einer Häuserzeile. Vor dem Eingang parkten drei Wagen.
Da ist noch geöffnet, dachte Tarzan. Er
stieg ab und trat zu der Glastür. Ein Schild verkündete, daß der lange Samstag
heute erst um 22 Uhr ende. Aha! Das sollte wohl jene anlocken, die tagsüber
keine Lust verspüren oder sich ihrer Bäuche schämen.
Hinter Mattglasfenstern war das Studio,
im ersten Stock. Schemenhaft zeichneten sich die Foltergeräte ab:
Bauchmaschine, Latissimus-Kreuzhebemaschine, Cable-Cross-Maschine,
Latissimus-Pull-Maschine, Zuggeräte, Schrägbänke, Flachbänke, Curl- und
Dips-Maschinen und Hanteln.
Aber der Zulauf schien gering. Nur die
Schatten zweier Gestalten bewegten sich.
„Wißt ihr, was ich denke“, sagte
Tarzan.
„Klar“, nickte Karl. „Du willst rein.
Ein bißchen spionieren, ein bißchen nach dieser Nicole fragen, den Manowsky
beäugen — und das alles für Eintrittsgeld. Denn der läßt dich nicht umsonst in
seine heiligen Hallen.“
„Wir müssen Opfer bringen. Ein
einmaliger Eintritt kostet sicherlich nicht die Welt.“
„Wieso wir?“ schnappte Klößchen.
„Du etwa nicht?“
„Wir haben schon trainiert — wie die
Irren, während du dich am Schlupfberg rumgetrieben hast.“
„Du kannst trotzdem mitkommen. Diesen
Manowsky zu überprüfen, ist ein Fall für TKKG. Vielleicht gibt ‘s da drin
Schokolade.“ Tarzan lachte. „Dann wärst du doch der glücklichste Bodybuilder
der Welt.“
„Ehrlich, Tarzan“, sagte Karl. „Noch
eine Fitneß-Schinderei mit überschweren Gewichten — das packe ich nicht.
Schließlich bin ich in erster Linie Gehirnmensch — aus Veranlagung und
Vererbung, weil mein Vater Professor und nicht Preisboxer ist. Ich bin Karl,
der Computer, und nicht Karl, der Goliath (Riese aus dem Alten Testament).“
Tarzan runzelte die Stirn. Wie die
beiden auf faul machten, das war fast Verrat an der Sache. Doch dann
erleuchtete ihn der rettende Gedanke.
„Gut, laßt eure Muskeln weiterpennen.
Und die Knochen vermodern. Aber für die Haut könnt ihr was tun, ihr Bleichkäse.
Wie hier steht, verfügt Mano auch über ein Solarium ( Bräunungsstudio ).
Ihr bräunt, ich stemme. Aber alles nur zum Schein. Was wir brauchen, ist
Durchblick. Notfalls ärgern wir diesen Manowsky, damit er was rausläßt.“
„Du hast keinen Trainingsanzug mit“,
gab Karl zu bedenken. „Wir brauchen ja nur unsere Unterhosen. Aber du willst
dich plagen.“
„Was ich brauche, kann man sicherlich
borgen.“
Sie lehnten ihre Tretmühlen gegen die
Hauswand und ketteten sie aneinander. Im Gebäude wies ein Pfeil die Treppe
hinauf. Der Eingang zum Kraft-Center war schmuddelig. Tarzan läutete. Ein Mann
öffnete, indem er die Tür aufriß, gleich kehrtmachte und sich an den
Schreibtisch zurückzog, der im Vorraum stand. Es gab noch zwei Aktenschränke
und zuviel grelles Licht.
„Guten Abend“, sagte
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