Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
erhob Änni sich von dem Platz, der ihr ohnehin nicht zustand, und applaudierte. »Wir bekommen ein Kindlein! Ist das nicht wundervoll?« Der Tanz, der ihre Worte begleitete, war voller Lebensfreude.
Die Schwiegermutter schüttelte sich, als müsse sie zur Besinnung kommen. »Ja wirklich, das ist … das ist in der Tat eine wundervolle Nachricht.« Ihr Blick glitt über Alenas Leib, als wollte sie sich vergewissern, ob der Bauch tatsächlich wuchs. Dann schaute sie verträumt zu Gotthardt. »Wir bekommen einen Sohn! Was sagst du dazu?«
»Mutter, Ihr glaubt ja nicht, wie sehr ich mich danach sehne, endlich einen Knaben mein zu nennen und ihn das Recht zu lehren.«
Was geschah hier? Warum sprachen die beiden von ihrem Sohn? Alena blickte verständnislos in die Runde. Es war doch ihr Kind, ihr Kind, das sie gemeinsam mit Gotthardt gezeugt hatte. Und ob es ein Junge würde, das wusste nur der Herr im Himmel.
Plötzlich blühte Mergh auf. »Gotthardt, das müssen wir feiern. Mein erstes Enkelkind.« Sie schaute sich um. »Was meint ihr? Wollen wir uns nicht zur Feier des Tages einen guten Tropfen gönnen?«
»Allerdings«, entgegnete Änni und hielt Mergh ein Likörglas hin, damit sie es füllte. »Wenn das kein Grund zum Feiern ist!«
Alena wunderte es, dass die Schwiegermutter wortlos eingoss, ohne Ännis Betragen zu rügen. Lag dies etwa an der Freude über das Kind? Zweifelnd runzelte sie die Stirn und spürte die leise Furcht, Mergh könnte ihr nach der Geburt das Kind gleich entreißen. Doch sie beruhigte sich schnell wieder, denn so weit war es noch nicht, und wenn das Kleine das Licht der Welt erblickte, war auch Vater längst wieder da.
Plötzlich schob sich abermals der Steinmetz in Alenas Gedanken. Sicher liebte er seine Kinder. Vor ihrem inneren Auge sah sie, wie Iven einen Säugling im Arm hielt und seiner Frau ein Lächeln schenkte. Allmählich veränderte sich das Aussehen der Frau, und Alena sah sich selbst neben dem Steinmetz in einer Hütte. Ein Gefühl der Geborgenheit umhüllte sie wie eine warme Decke.
Feiern an zwei aufeinanderfolgenden Tagen bis früh in den Morgen gestattete das Alter wohl doch nicht mehr. Purer Schmerz hämmerte gegen die Schläfen. Mergh mühte sich, den Kopf zu heben, doch ein Stich zuckte durch ihre Wirbelsäule und zwang sie in die Kissen zurück. Mühsam bewegte sie jedes ihrer Glieder, um allmählich Geschmeidigkeit hineinzubringen.
Nach einer Weile brachte sie endlich ein Bein nach dem anderen über die Bettkante. Der Schmerz in ihrem Kopf ließ nach, das dumpfe Gefühl blieb. Als Mergh sich schließlich aus dem Bett gequält hatte, fühlte sie sich, als stecke sie in einer verrosteten Ritterrüstung.
Der Blick aus dem Fenster jagte ihr einen Schrecken ein. Die Sonne neigte sich bereits dem Horizont zu. Hatte sie wirklich den ganzen Tag verschlafen? Das war ihr im Leben noch nicht passiert. Warum nur hatte sie niemand geweckt? Mergh ließ sich in den Lehnstuhl fallen und bereitete sich darauf vor, sich zu waschen und anzukleiden. Doch sie brauchte noch einen Augenblick der Ruhe, um den Berg, der vor ihr lag, zu erklimmen.
Das kalte Wasser aus der Waschschüssel, mit dem sie sich abgerieben hatte, bewirkte Wunder. Und bestimmt lag es nicht nur am Wasser. Auch der Gedanke an den Enkelsohn erquickte sie. Die Kraft kehrte allmählich zurück in ihre Glieder, und Mergh fühlte sich schließlich bereit, die Treppen hinabzusteigen und im Haus nach dem Rechten zu sehen.
Mit einem Stück Brot in der Hand verließ Gotthardt soeben die Küche. Er war in sein feinstes Wams gekleidet und augenscheinlich in Eile.
Mergh trat einen Schritt zurück, damit er sie nicht sah. Doch so tief, wie er offenbar in Gedanken versunken war, hätte sie auch unmittelbar vor ihm stehen können. Er hätte durch sie hindurchgeschaut. Wenn er mit diesem verträumten Blick unterwegs war, wusste Mergh genau, wohin sein Weg ihn führte. Und schon flüsterte ihr Verstand: Folge ihm!
Mergh zweifelte bereits daran, noch lange auf ihren Füßen stehen zu können, als Gotthardt endlich das Haus der Krämerin verließ und sein Schatten sich durch die dunkle Straße schob. Sie trat aus ihrem Versteck und näherte sich dem Kramwarenladen. Die Tür war nur angelehnt. Das passte zur Kopflosigkeit ihres Sohnes. Auf den schäbigen Holzdielen waren die Kleider der Hexe verstreut. Mergh brauchte nur der Spur zu folgen, und sie fand sich in der Schlafkammer wieder, wo es streng nach Körpersäften roch.
Die
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