Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
Krämerin lag bäuchlings auf dem Bett in einen tiefen Schlaf versunken. Lediglich der Po war von einem dünnen Laken bedeckt. Für einen Augenblick betrachtete Mergh den entblößten Rücken, auf dem sich das graublonde Haar in Strähnen ringelte. Was ihr Sohn an diesem Weib fand, war ihr ein Rätsel. Das Miststück konnte bestimmt zaubern. Anders war es nicht zu erklären, dass er sich auf diesen Staubballen legte.
Mergh nahm ihren Schal ab und ließ die Seide durch die Finger gleiten. Mit einem Mal spürte sie wieder ihre alten Knochen. Die Krämerin war jung und könnte sich wehren, wenn sie erwachte. Mergh wandte sich ab und schlich auf leisen Sohlen durch das Haus. Da erblickte sie das Schüreisen über dem Ofen. Sie griff danach und kehrte in die Schlafkammer zurück.
Als sie der Krämerin das Eisen auf den Kopf schlug, fuhr ein kurzer Ruck durch deren Leib, dem ein Stöhnen folgte. Die Hure hatte die Besinnung verloren. Sorgfältig wand Mergh den Schal um ihren Hals und zog an beiden Enden, bis die Atemzüge gurgelnd verklangen. Bald schon würde die Hexe in der Hölle schmoren. Dort gehörte sie schließlich hin.
Mergh blickte sich noch einmal in der armseligen Behausung um. Weidenkörbe mit Garnrollen, Scheuerbürsten und Filzreste standen ordentlich aufgereiht neben dem Herdfeuer. Die Glut war noch nicht verloschen. Sie nahm ein Tuch, griff nach einem der glimmenden Holzscheite und betrachtete ihn einen Augenblick lang versonnen. Dann warf sie ihn in den Korb mit den Filzresten.
Das Glockengeläut der letzten Nacht hallte noch immer durch Gotthardts Kopf. Sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, als wollte es jeden Augenblick aufhören zu schlagen.
Er war die Straße Vor Sankt Matheis hinaufgelaufen. Ein mulmiges Gefühl in der Magengegend hatte ihn immer weiter getrieben und ihn nicht getäuscht. Wilhelminas Haus hatte lichterloh in Flammen gestanden. In seiner Nase brannte noch der entsetzliche Gestank, der aus den Überresten des Ladens seiner Geliebten strömte. Die Männer der Feuerwehr hatten nichts mehr retten können.
Eingehüllt in einen wabernden Nebelschleier, wiederholten sich die Bilder in seinem Kopf. Das Dach, aus dem die Flammen schlugen und den Himmel orangefarben leuchten ließen, bis es in einer schwarzen Rauchwolke krachend einstürzte und das Haus unter sich begrub. Gotthardt wollte die Bilder nicht mehr sehen, sie fortwischen, doch sie ließen sich nicht vertreiben. Auch das Schrecklichste trat wieder vor seine Augen und ließ ihn verzweifelt nach der Geliebten schreien.
Nur ihre Beine waren noch zu erkennen gewesen, als die Männer ihren Leib aus dem Schutt trugen. Sie hatten an einem schwarzen Klumpen gehangen, der einst ihre Brüste, ihr Gesicht, das wunderschöne Haar gewesen war.
Gotthardt schlug sich mit der Faust gegen die Stirn. Sein Blick glitt durch das Fenster nach draußen, wo die Sonne bereits hoch am Himmel stand. In seinem Herzen tobte der Gram. Herr, lass mich aus diesem bösen Traum erwachen , betete er stumm und atmete tief ein. Um Fassung ringend, schritt er in seinem Arbeitszimmer auf und ab. War dies alles wirklich wahr? Nein, das konnte nicht sein. Er sank auf die Knie und wollte an ein Trugbild in seinem Kopf glauben. Doch der Geruch nach Feuer, der in seinen Kleidern haftete, machte ihm gnadenlos und unablässig die Wahrheit deutlich.
Immer wieder schrie er den Namen seiner Geliebten, bis seine Lungen brannten. Schließlich fiel er auf die Knie, rollte sich wimmernd auf die Seite und ließ seinen Tränen freien Lauf.
Er musste eingeschlafen sein, einen bösen Traum gehabt haben. Die Finger, die über seine Wange strichen, brachten eine angenehme Kühle.
»Wilhelmina«, seufzte er. In seinem Herzen breitete sich die Erleichterung aus. »Du bist bei mir. Endlich! Alles war so schrecklich ohne dich.« Gotthardt drehte sich auf den Rücken. Das Bett war mit einem Mal so hart wie der Fußboden, und seine Glieder schmerzten. In seinem Kopf schlug ein Hammer gegen die Schläfen. Er zwang sich, die Lider zu öffnen. Über ihm tat sich die Hölle auf, jedoch nicht rot brennend, sondern unkengrün wie die Augen seiner Mutter.
»Es ist vorbei. Die Hure steht vor dem Jüngsten Gericht. Sie wird für ihren Zauber büßen, glaube mir.«
Gotthardt riss den Kopf hoch. Ein Stich fuhr durch seinen Nacken, so dass ihm für einen Augenblick schwarz vor Augen wurde. Mutter? Was redete sie? Warum lag er auf dem Boden? Wilhelmina? Wimmernd brach er erneut zusammen.
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