Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
herrschte Alena sie an und genoss es zum letzten Mal, dass sie das Sagen hatte. Schneidermeister Huppertz hatte Vaters bestes Tuch zu dem schönsten Hochzeitskleid verarbeitet, das es auf Erden gab.
Endlich saßen die Strümpfe, und Alena erhob sich. »Bist du glücklich?«
»Sieht man das nicht?« Änni drehte sich zum Spiegel, wiegte sich in den Hüften und strahlte über das ganze Gesicht. »Die Frau des Rebellen. Wie aus der Hand eines Künstlers erstanden, oder?« Sie warf ihrem Spiegelbild eine Kusshand zu.
»Ja, diesen Eindruck könnte man gewinnen.« Alena setzte ihr den Hut auf das Haar, das in rotblonden Locken über ihren Rücken fiel, und gab ihr einen Klaps auf den Hintern. »So, nun geh und heirate deinen Rebellen. Ich folge dir.«
Das Hochzeitsmahl gehörte zu den üppigsten, die je in Köln aufgetragen worden waren. Die Männer rieben sich die Bäuche und lehnten sich zufrieden in ihren Stühlen zurück. Die neue Magd, die Alena eingestellt hatte, servierte auf einem Silbertablett Pfeifen und Tabak. Vom anderen Ende des Tisches zwinkerte Änni Alena zu und gab ihr einen versteckten Wink. Dann strich sie Gülich über die Wange, erhob sich und verließ den Raum.
Alena folgte ihr kurz darauf, zum letzten Mal, denn Änni würde nie wieder eine Nacht in ihrem Haus verbringen.
Über das Gras im Garten hatte sich Raureif gelegt und ließ die Halme silbern im Mondschein glitzern. Ihrer Blätter beraubt, ragten die knorrigen Äste des Apfelbaums in den Himmel, an dem der Mond zwischen den Wolkenfetzen seine Bahn zog.
Alena raffte ihren Umhang fest um die Schultern und blickte auf die kleinen Wölkchen, die unter dem Apfelbaum aufstiegen. Änni saß im Schneidersitz unter dem Geäst, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und blies mit vollen Wangen den Rauch aus.
Als sie das Rascheln von Alenas Schritten hörte, drehte sie sich zu ihr um. »Komm, Leni, lass uns Pfeife rauchen!«
Alena setzte sich zu ihr, nahm die Pfeife entgegen und zog daran. Der Tabak brannte auf ihrer Zunge, doch dann schmeckte sie das Aroma. Es erinnerte sie an gezuckerte Feigen. Ihr Blick wanderte zum Himmel.
»Er wacht die ganze Zeit über uns.« Änni nahm ihr die Pfeife aus der Hand.
Alena schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter und war glücklicher denn je zuvor. Vaters Stern strahlte heller als der Mond.
Nachwort
A mtskäufe, Bestechungen, Nötigungen und Erpressungen des Stadtregiments (um nur einige Missstände zu nennen) waren in Köln über Jahrhunderte hinweg zur Tradition geworden. Der Verbundbrief von 1396 sowie der Transfixbrief von 1513 änderten daran wenig. Durch den Dreißigjährigen Krieg und die anschließend sich zuspitzende außenpolitische Lage klaffte im 17. Jahrhundert ein tiefes Loch im Stadtsäckchen. Daraus resultierten direkte und indirekte Steuererhöhungen, von denen die hohen Herren sich selbst jedoch ausnahmen. Die Beschwerden des Volkes häuften sich, und die Stimmen des Protestes wurden lauter.
In der Stimme des Kaufmanns Nikolaus Gülich fand sich das Volk wieder und brachte mehr Klagen und Beschwerden vor als je zuvor. Diese Umstände nötigten den Rat im September 1680, eine Generalinquisition einzurichten, zu der im November desselben Jahres die 44er der Gaffeln hinzugezogen wurden.
Tatsächlich umspannt der Werdegang Gülichs vom Rebellenführer bis zum Syndikus fast vier Jahre. Da das über diese Jahre andauernde Hin und Her im Kölner Rat für Alenas Geschichte keinerlei Bedeutung hat, habe ich mir die Freiheit genommen, die tatsächlichen Geschehnisse in einen engeren zeitlichen Rahmen zu fassen.
Durch den Rückgang der Sieche wurde das Kölner Leprosenhaus zu Melaten im Laufe der Zeit immer mehr zu einer Anstalt für alte Menschen. Im Jahre 1712 ließ der Rat die neun Bewohner des Hofes untersuchen. Dabei stellte sich heraus, dass nur eine Frau unter dem Aussatz litt. Dies führte zum Ende der Kölner Siechenhäuser, die kurz darauf entweder abgerissen oder für andere Zwecken verwendet wurden. 1810 wurde auf dem Gelände des ehemaligen campus leprosi der Friedhof Melaten angelegt, die größte Ruhestätte Kölns, wo auch heute noch bedeutende Persönlichkeiten der Stadt begraben werden.
Alena, ihre Familie, Freunde und Widersacher sind frei erfunden. Ich bin jedoch der Meinung, sie hätten hervorragend in die Geschichte um Nikolaus Gülich und die Missbräuche im Rat der Stadt Köln gepasst.
Danke
A n dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei meiner Freundin Daniela
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