Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
Rehbollen.« Änni liefen die Schweißperlen von der Stirn. Doch sie hielt sich tapfer. Beladen mit Schüsseln und Platten, hastete sie unermüdlich den Flur hinauf und hinunter. »Wer kommt hier eigentlich für die Kosten auf?«, schnaufte sie und eilte vorüber. Hinter ihr fiel die Tür zur Küche krachend ins Schloss.
Ein heftiger Schmerz zuckte plötzlich durch Alenas Unterleib und zwang sie in die Knie. Stöhnend presste sie die Hand auf ihren Bauch und spürte schon kurz darauf, dass Änni sie auf die Beine zog.
»Jetzt reicht es, Leni! Du musst an das Kind denken. Den Rest schaffe ich allein. Geh in dein Zimmer. Wenn es blutet, ruf mich sofort.«
Wenn es blutet? Alena bekam es mit der Angst zu tun. Doch was nutzte es? Wenn der Herrgott dieses Kind nicht wollte … Es war nun an der Zeit, der Familie zu sagen, dass sie ein Kind unter dem Herzen trug. Sie musste sich endlich den Gegebenheiten stellen, durfte die Tatsachen nicht länger beiseiteschieben. Und vielleicht würden Mergh und Gotthardt milder gestimmt.
7. K APITEL
D ie Zeit floss träge dahin. Immer wieder glitt Alenas Blick zur Zimmertür. Erst wenn ihr Mann und seine Mutter an diesem Abend bei Tisch saßen, wollte Änni sie holen kommen. Ob Gotthardt schon da war? Oder war er noch auf der Gaffel oder vielleicht bei seiner Hure? Alena legte sich auf das Bett, starrte an die Decke und fragte sich, ob er weiterhin die Ehe brechen würde, wenn er heute von seinem Kind erfuhr. Im Grunde war es ihr gleichgültig. Einzig das Kind zählte. Mittlerweile hatte der zehnte Monat des Jahres begonnen. Das Kleine müsste, wenn sie richtig gerechnet hatte, im Wonnemonat zur Welt kommen. Wie schön! Dann würde es sofort den Duft der Blüten atmen. Alena legte die Hand auf den Bauch. Noch immer konnte sie sich nicht vorstellen, dass darin ein kleines Wesen heranwuchs.
Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen, und Änni stand im Rahmen. »Komm, Leni! Es ist so weit. Die beiden sitzen bei Tisch.«
Alena sprang auf und strich die Röcke glatt. Für den Anlass hatte sie ein besonderes Kleid angezogen. Rosenroter Brokat umschmeichelte ihre Hüften, und die Ärmel waren mit goldener Spitze abgesetzt. Schade nur, dass Vater sie nicht so sehen konnte. Unsicher tastete sie nach ihrem Haar, das sie sich sorgfältig aufgesteckt hatte. »Ist noch alles an der richtigen Stelle?«
»Zeig mal.« Änni betrachtete die Freundin von allen Seiten und steckte einen Kamm neu. »So, nun sitzt es wieder. Du siehst aus wie eine Königin. Gottschreck sollte stolz auf dich sein.«
Alenas Herz wurde schwer. Sie wollte Gotthardts Liebe gar nicht mehr. Iven kam ihr plötzlich in den Sinn, und sie wünschte sich, er würde heute ins Haus kommen, damit er sie in dem schönen Kleid sah. Ein wohliger Schauer lief ihr über den Rücken und hob ihre Stimmung.
Alenas Beine zitterten ein wenig, als sie das Speisezimmer betrat. In Merghs Blick lag Unverständnis, und Gotthardt sah nur kurz auf. Dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder dem Löffel, den er in den Händen drehte.
Alena schritt zu dem Tisch, ließ sich auf dem freien Stuhl neben Gotthardt nieder und holte tief Luft.
»Bis zu den Christ-Feiertagen ist es aber noch etwas hin«, zischte Mergh und sah sie argwöhnisch an.
Die letzte Nacht hatte deutliche Spuren in Merghs Gesicht hinterlassen. Pralle Tränensäcke hingen unter ihren Augen, und die Haut war fahl wie die Asche im Küchenherd.
Änni knallte auffordernd einen Teller vor ihrer Nase auf die Tischplatte. Geräuschvoll schnappte die Schwiegermutter nach Luft. »Du dumme Gans! Kannst du nicht aufpassen?«
»Warum fragt Ihr Alena nicht, weshalb sie dieses Kleid trägt?«, wollte Änni wissen.
»Sei nicht so vorlaut, du Bauerntölpel! Ich werfe dich sonst aus dem Haus.« Mergh feuerte einen Giftpfeil aus den geschwollenen Augen.
»Ich habe Euch etwas mitzuteilen.« Alenas Herz raste im Galopp. Selbst Gotthardt hatte nun den Kopf gehoben und sah sie aus seinen wässrigen Augen an.
Änni stellte den Stapel mit den Tellern auf die Anrichte und setzte sich an den Tisch, als gehörte sie zur Familie. Ihr Grinsen reichte bis zu den Ohren. »Nun sag’s schon, Leni.«
Alena räusperte sich. »Nun, da ich mir ziemlich sicher bin, möchte ich Euch mitteilen, dass ich ein Kind unter dem Herzen trage.«
Merghs Kinnlade fiel hinunter, und Gotthardt starrte seine Frau aus weit aufgerissenen Augen an. Für Alena war es eine Genugtuung, beide so sprachlos zu sehen.
Freudestrahlend
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