Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
und es ist dein Kind. Gott hat gewollt, dass er so aussieht, weil er etwas Besonderes ist.« Aus ihrem Leib schwanden die letzten Kräfte, und die Holzdielen begannen, unter ihren Füßen zu schwanken. Gegen Gotthardts unbeherrschte Kraft anzukämpfen, war so sinnlos, als wollte man bei Sturm Windmühlenräder zum Stehen bringen.
Gotthardt riss den Deckel der Truhe auf und schleuderte Alena zwei ihrer Kleider entgegen. »Hier, pack deine Sachen und verschwinde mit dem Balg, bevor Mutter wiederkommt.«
Als Gotthardt endlich die Kammer verließ, hallten seine Schritte von den Wänden wider. Alena ergriff die nackte Angst. Am ganzen Leib zitternd, starrte sie auf die Kleider, die verstreut auf dem Boden lagen. Gotthardt durfte sie nicht mit dem Säugling aus dem Haus jagen! »Warum hast du mich nur verlassen, Vater?« Sie weinte herzzerreißend. Wenn er bei ihr gewesen wäre, hätte Gotthardt nie gewagt, sie so niederträchtig zu behandeln.
Alena beschloss zu bleiben und legte sich wieder in das Bett. Sie war viel zu schwach auf den Beinen und würde auf der Straße zusammenbrechen. Das musste auch Gotthardt einleuchten. Schließlich hatte sie erst vorgestern entbunden. Trotzig zog sie die Bettdecke über ihren Bauch. Bestimmt war Gotthardts Zorn bald verraucht, und er würde sie für sein Verhalten um Verzeihung bitten. Seufzend stieß sie den Atem aus und betrachtete den Jungen. »Gabriel«, flüsterte sie und begann, eine Melodie zu summen.
Plötzlich flog die Tür erneut auf und schlug krachend gegen die Wand. Alena blieb vor Schreck beinahe das Herz stehen. Im Rahmen stand Gotthardt, und in der Hand hielt er eine Faustbüchse, die er auf sie richtete.
»Hatte ich dir nicht befohlen zu verschwinden?«
»Ich … ich … Gotthardt, ich bin zu schwach.« Alena starrte entsetzt auf die Waffe in der Hand ihres Mannes.
»Wenn ich dich nur noch ein einziges Mal in der Stadt sehe, werde ich dich und deine Ausgeburt der Hölle auf der Stelle töten.« Er trat näher und zielte mit der Faustbüchse auf das Köpfchen des Kleinen.
Alena schrie auf. »Nein, Gotthardt! Nein! Ich gehe schon, und du wirst mich nie wiedersehen.« Das Kind fest an sich gedrückt, glitt sie aus dem Bett und sammelte die Kleider vom Boden auf. So schnell es ihre zitternden Beine zuließen, lief sie die Stiege hinunter und hastete aus dem Haus.
Über die Gassen hatte sich bereits die Dunkelheit gelegt. Von irgendwoher ertönte der schiefe Gesang des Nachtwächters.
Alena glaubte, sich nicht mehr auf den Beinen halten zu können. Doch sie musste weiter, irgendwie. Der Nachtwächter durfte sie auf keinen Fall sehen, denn er würde sie schnurstracks zurück nach Hause bringen. Zu allem Übel war sie nur in ihr Schlafgewand gekleidet. Tausend Gedanken auf einmal schossen durch ihren Kopf und versanken schnell in Nebelschwaden, ohne dass sich ihre Ratlosigkeit gelegt hätte.
Alena biss die Zähne zusammen und schleppte sich mit dem Kind im Arm durch die Gassen. Nachdem sie die Straße Hinter Sankt Claren verlassen hatte, erreichte sie mit letzter Kraft endlich die Stadtmauer und sank dort in einem der Rundbögen erschöpft zu Boden. Zum Glück hielt sich hier keiner der Bettler auf, um die Nacht im Schutz der Mauer zu verbringen. Alena deckte sich und Gabriel mit den beiden Kleidern zu. Etwas anderes besaß sie nicht mehr. Doch das zählte nicht. Das Wichtigste war, dass sie ihren Sohn vor Gotthardt gerettet hatte. Fest drückte sie Gabriel an sich und ließ ihren Tränen freien Lauf. Nach einer Weile blickte sie in den schwarzen Himmel, an dem kein einziger Stern zu sehen war. Bitte, Vater, schieb die Wolken zur Seite, damit ich dir ein bisschen näher sein kann.
12. K APITEL
D ie roten Flecken auf Ivens Armen bereiteten keinerlei Beschwerden. Sie juckten und sie schmerzten nicht. Ratlos strich er mit dem Finger darüber. Was konnte das bloß sein? Er griff nach seinem Hemd und zog es über. Ihm blieb keine Zeit mehr, über diese Flecken zu grübeln, denn Gülich erwartete ihn heute, um ihm seinen Lohn auszuzahlen.
Iven arbeitete immer noch an dem Umbau des Hauses, den Crosch weiterhin mit dem Geld aus dem Stadtsäckchen finanzierte. Doch viel gab es dort nicht mehr für ihn zu schaffen. Die Arbeiten waren so gut wie abgeschlossen.
Gülich war es bisher nicht gelungen, die Untersuchungsinquisition von der Bestechlichkeit der Ratsherren zu überzeugen. Schließlich waren auch diese hohen Herren auf ihre Art und Weise in die Angelegenheit
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