Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
verwickelt. Doch Gülich war davon überzeugt, dass Croschs Amtsmissbrauch sein schlagkräftigster Beweis war, mit dem er erst am Ende auftrumpfen würde. Iven verließ das Haus und eilte zu den Obenmarspforten.
»Gut, dass du gekommen bist, mein Freund. Ich hätte wegen dir kaum meine Reise zur Leipziger Messe verschoben. Aber auf dich ist Verlass. Das freut mich.«
Iven lachte. »Warum sollte auf mich kein Verlass sein, wo es doch um meinen Lohn geht? Das wäre ein wenig seltsam, glaubt Ihr nicht?«
»Es geht nicht nur um deinen Lohn, den ich dir nun auszahlen werde.« Gülich reichte Iven einen Becher Wein. »Es handelt sich außerdem um einen neuen Auftrag. Diesmal gibt es Arbeit im Haus des Bürgermeisters.«
Iven presste die Lippen aufeinander. Er war es müde, ein Rädchen bei den Amtsmissbräuchen der Ratsmitglieder zu sein. Lieber wollte er einer ehrlichen Arbeit nachgehen. Doch anderseits lag ihm auch daran, dem Spiel ein Ende zu machen und, soweit es in seiner Macht lag, dazu beizutragen.
»Wie ich in Erfahrung gebracht habe, sucht er einen zuverlässigen Steinmetz, der ihm seinen Garten mit Säulen und Skulpturen verschönert. Ich gehe davon aus, dass Crosch dir eine Empfehlung ausschreiben wird.« Gülich grinste siegessicher.
Nun dämmerte Iven der wahre Grund, warum Gülich so lange mit der Aufdeckung der Machenschaften zögerte. Er wollte über Crosch an den Bürgermeister heran und somit die Mutter im Schlangennest außer Gefecht setzen. Nachdenklich schob Iven den Hemdsärmel hoch und schaute nach den Flecken.
Gülich reckte den Kopf. »Das sieht nicht gut aus. Wie lange hast du das schon?«
»Seit heute. Sie werden bestimmt wieder verschwinden.«
»Du solltest den Bader aufsuchen, damit er sich das einmal ansieht. Hast du Schmerzen?«
Iven schüttelte den Kopf. »Nein, es ist sicher nur halb so schlimm.«
Doch am Abend suchte Iven den Bader auf. Die Flecken auf seinen Armen hatten sich ausgebreitet und nässten inzwischen. Auch ein quälender Juckreiz hatte sich eingestellt.
Aus dem windschiefen Haus in der Botengasse wehte der Duft von frisch gebackenem Brot. Die Frau des Baders stand ununterbrochen am Herd, um den Hunger ihres Gemahls zu stillen.
Nachdem Iven angeklopft hatte, dauerte es nicht lange, und die Tür öffnete sich. Der Bader steckte den Kopf durch den Spalt. Das Gesicht mit den hängenden Wangen erinnerte Iven an das einer Wildsau. »Wer stört so spät noch?«, brummte er. Sein Kittel war übersät mit Blutflecken.
»Gott zum Gruße, Schösch. Entschuldige die Störung, aber würdest du dir vielleicht mal meinen Arm ansehen?«
Der Bader verzog grimmig die Mundwinkel. »Na, dann komm rein! Aber viel Zeit habe ich nicht. Mein Weib wartet mit dem Essen auf mich.«
Iven ließ sich auf einem Schemel neben der Kochstelle nieder. Die Frau des Baders war genauso beleibt wie ihr Mann. Sie rührte in einem großen Kessel, dem ein köstlicher Duft entwich. In Ivens Bauch meldete sich der Hunger. Doch als er an den heimischen Herd dachte, wallte der Zorn in ihm auf. Hans Jorgen hatte sich dort häuslich niedergelassen und die Absicht geäußert, erst einmal zu bleiben. Schließlich hätte er mit seinem Gesang für die nächste Zeit genügend Geld verdient.
»Nun mach schon, lass mich den Arm sehen«, murrte der Bader.
Iven krempelte den Hemdsärmel hoch und zeigte dem Mann die feuerroten Flecken. »Es juckt höllisch.«
»Sieht nicht gut aus, Roder. Könnte die Sieche sein.«
Iven stockte der Atem. Die Sieche? Wo sollte er sich den Aussatz eingefangen haben? »Schösch, das kann nicht sein«, entgegnete er mit erstickter Stimme.
Der Bader hob die Schultern. »Nun ja. Wenn es juckt, ist es vielleicht etwas anderes. Hier, ich gebe dir eine Tinktur mit, die du auf die Flecken reibst. Hilft gegen den Juckreiz. Das macht dann einen Albus. Ach ja, morgen muss ich dich beim Rat melden. Dann wirst du zur Siechenschau geladen.«
»Was? Zur Siechenschau? Das darf nicht sein, Schösch.« Ivens Gedanken überschlugen sich.
»Doch. Anordnung vom Rat. Jede Auffälligkeit muss genau untersucht werden.« Der Bader blickte sehnsüchtig zu dem Kessel und leckte sich über die Lippen.
»Aber du glaubst doch selbst nicht, dass es die Sieche ist.«
»Bestimmt kannst du getrost nach Hause gehen, wenn die Prüfmeister dich untersucht haben.«
Und wenn nicht … Iven wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu bringen.
Die Pilgerreise steckte Mergh schwerer als gedacht in den Knochen. Die Blasen
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