Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
Gesang nicht hören zu müssen, stopfte er sich die Daumen in die Ohren.
Der Blick aus Theres’ Fenster führte in den Garten des Verwalterehepaares. Ein Teppich aus Butterblumen bedeckte die große Wiese.
Theres dachte über die Zukunft nach. Was würde sie ihr bringen? Die Sorge, nicht mehr lange genug zu leben, um für Sophie sorgen zu können, begleitete sie jeden Augenblick des Tages, ehe sie sich des Nachts in namenlose Angst verwandelte.
Ein leises Gurgeln ertönte hinter ihr. Sie drehte sich um und trat zu dem Weidenkörbchen, in dem Sophie gerade aus dem Schlaf erwacht war. Die kleinen Wangen waren gerötet, und das Mädchen gähnte herzhaft.
Liebevoll strich Theres über das Köpfchen. Ob die Kleine wieder Hunger hatte? Noch schrie sie nicht, aber es würde gewiss nicht mehr lange dauern. Und dann würde sich die Verwalterin wieder gestört fühlen. Vorsichtshalber nahm sie das Kind aus dem Körbchen, setzte sich auf das Bett und legte sie an ihre Brust. Die schmatzenden Geräusche vertrieben die Sorge und ließen sie nur noch die Liebe für ihre Tochter fühlen. Sophie trank nicht viel und schlief, die Brustwarze zwischen den Lippen, rasch wieder ein.
Lächelnd blieb Theres auf dem Bett sitzen. Stundenlang konnte sie die Kleine beobachten. Welch ein Geschenk Gottes sie doch war! Theres rutschte in die Kissen, und eine bleierne Schwere überfiel sie. Gerade als ihr die Augen zufallen wollten, trat Fyen in die Kammer.
Verständnislos schüttelte die Frau den Kopf. »Das kann doch nicht wahr sein! Hast du mal aus dem Fenster geschaut?«, schnaubte sie. Doch dann fiel ihr Blick auf Sophie. Sie hielt inne, lächelte und strich der Kleinen über das Haar. »Wenn doch nur alle so friedlich wären wie mein kleines Liebchen hier.«
»Was ist denn geschehen? Eben habe ich nur einen Teppich aus Blüten gesehen, als ich aus dem Fenster geblickt habe.«
»Dann musst du mal aus einem anderen Fenster hinausschauen. Fünf alte Menschen stehen auf dem Hof. Einer klappriger als der andere. Ich fresse einen Sack Stroh, wenn diese Leute die Sieche haben.« Fyen rückte einen Stuhl an das Bett und pflanzte ihren fülligen Hintern darauf. »Weißt du, was ich mich frage?«
Theres schüttelte den Kopf. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wovon Fyen sprach.
»Warum wurden wir von der Gemeinde ausgesegnet und müssen uns von den Gesunden fernhalten, wenn nun diese Leute hier einziehen?«
»Glaubst du wirklich, dass sie hier wohnen werden?«
»Aber sicher.« Fyen verschränkte die Arme vor der Brust. »Die rücken mit Sack und Pack bei uns an. Ganze Wagenladungen haben sie dabei. Außerdem habe ich gelauscht.«
»Wo?« Theres richtete sich ein wenig auf. Die kleine Sophie öffnete kurz die Augen, spuckte die Brustwarze aus und schlief dann selig weiter.
»Na, an Elsgens Tür. Sie hat sich mit Puckel unterhalten. Glaub mir, ich habe jedes Wort verstanden.«
»Worüber haben sie denn gesprochen?«
»Dass sie sich um die Alten und Gebrechlichen kümmern wollen. Sie redeten über die Beträge, mit denen sich die Leute ihre Pfründe erkaufen sollen. Ich kann dir sagen, da ging es um Vermögen, Ländereien nicht ausgeschlossen. Meinen Hintern versetze ich, wenn die nicht besseren Fraß auf den Tisch bekommen als wir.«
Theres zuckte mit den Schultern. »Ach, Fyen, was sollen wir denn dagegen ausrichten?«
»Liebchen, hör mal zu! Es darf nicht sein, dass Melaten eine Versorgungsanstalt für alte Leute wird. Sollen wir Kranken dann vielleicht den Siechenmantel und die Handschuhe auch auf dem Hof tragen? So weit kommt es noch.«
Theres zuckte erneut mit den Schultern. Es war ihr gleichgültig, ob die alten Menschen auf dem Hof wohnten und besseres Essen bekamen. Im Grunde war ihr alles gleich, was nicht ihr Leben und Sophie betraf.
Durch das Fenster wehte mit einem lauen Lüftchen der Duft von Flieder in das Zimmer. Liebevoll strich Alena über den weißen Flaum auf dem Kopf des Jungen. Sie hatte gut geschlafen, obwohl Zilli ihr mehrmals in der Nacht den Kleinen gebracht hatte.
Gotthardt war nicht nach Hause gekommen, und sie vermutete, dass er eine neue Geliebte hatte. Dabei musste sie ihren Gemahl doch unbedingt fragen, welchen Namen er dem Kleinen geben wollte.
Zilli hatte recht, ihr Sohn war ein besonderer Junge. Dessen war sie sich sicher, seit der Kleine sie in der Nacht das erste Mal angelächelt hatte. Dieses kleine Menschlein war kein Dämon, sondern ihr Sohn, ihr Fleisch und Blut.
Alena hauchte ihm einen
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