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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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vorher noch nie in Stellung gewesen.«
    Sie starrte ihn noch einen Augenblick an und wandte den Blick dann wieder ihrer Stickerei zu. »Ich mag sie. Nicht von Anfang an, muss ich zugeben. Aber inzwischen ist sie mir oft eine große Hilfe.«
    »Wirklich? Das freut mich zu hören.« Er schwieg kurz. »Und wie geht es voran mit den Plänen für den Dienstbotenball?«
    Helen lächelte. »Sehr gut!«
    Da er wusste, dass Helen den neuen Verwalter anfangs nicht gebilligt hatte, fragte er: »Und wie kommst du mit Hudson zurecht?«
    Sie hielt den Blick abgewendet, doch ihre Nadel ruhte, während sie nachdachte. Dann verzog sich ihr Mund und ein Grübchen erschien in ihrer Wange. Sie wiederholte: »Ich mag ihn. Nicht von Anfang an, muss ich zugeben. Aber inzwischen ist er mir oft eine große Hilfe.«
    Nathaniel grinste. »Kann ich den Ball schon bald ankündigen?«
    »Ja, das kannst du.«

    An diesem Abend sah Nathaniel überrascht, dass »Nora« sich durch die vom Mondlicht erhellte Arkade vom Haus entfernte. Es war schon nach zehn Uhr. Warum war sie nicht im Bett wie jedes andere, zweifellos rechtschaffen müde Hausmädchen? Wollte sie Fairbourne Hall verlassen? Er folgte ihr leise und war erleichtert, als sie sich am Ende der Arkade umdrehte und im gleichen Tempo wieder zurückging. Anscheinend machte sie einfach nur einen Spaziergang, wie eine vornehme Dame, die nichts zu tun hatte. Als sie ihn sah, schrak sie zusammen und sah sich nach einem Ort um, an dem sie sich unsichtbar machen konnte, doch der schmale Gang bot wenig Deckung.
    »Guten Abend, Nora.«
    Sie warf ihm einen überraschten, erschrockenen Blick zu; ganz eindeutig hatte sie nicht damit gerechnet, angesprochen zu werden, und wünschte es auch nicht.
    »Sir.« Sie senkte den Kopf und wollte um ihn herumgehen, doch er blieb vor ihr stehen.
    »Was führt dich so spät noch heraus?«
    »Äh … ich wolltʼ bloß ʼn bisschen Luft schnappen, Sir.«
    Er verbiss sich ein Lächeln angesichts Ihres Akzents. »Konntest du nicht schlafen?«
    »Genau, Sir.« Zögernd drehte sie sich zu ihm, den Kopf noch immer gesenkt.
    »Das tut mir leid zu hören. Findest du das Leben hier nicht … angenehm?«
    »Ich beklag mich nich, Sir.«
    »Das überrascht mich.«
    Sie warf ihm einen Blick zu. Mondlicht und Verwirrung lagen auf ihrem Gesicht.
    »Ein Leben in Stellung muss schwierig sein«, sagte er freundlich. »Ich habe gehört, du warst noch nie Hausmädchen?«
    »Nein, Sir.«
    »Dann hast du erst vor Kurzem den Entschluss gefasst?«
    Sie nickte.
    »Darf ich fragen, welche Pläne du vorher für dein Leben hattest?«
    »Ich … ich weiß nich, Sir. Unabhängig leben, glaubʼ ich. Oder heiraten.«
    »Ach? Und wer sollte der Glückliche sein?«
    Sie zog schon wieder den Kopf ein; ganz eindeutig fühlte sie sich höchst unbehaglich. »Weiß ich nich, Sir.«
    Glaubte sie vielleicht, dass er sie verführen wollte? Wenn ja, dann fing er es ziemlich unbeholfen an. Trotzdem war es ihm nicht recht, dass sie eine schlechte Meinung von ihm bekam.
    »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Nora«, sagte er. »Ich hatte keine unehrenhaften Absichten, als ich dich ansprach. Dann gute Nacht. Ich hoffe, du kannst jetzt gut schlafen.«
    »Danke, Sir.« Sie huschte an ihm vorbei, zurück in den Schutz von Fairbourne Hill.

    Während der Morgenandacht am nächsten Tag beobachtete Margaret Nathaniel Upchurch genau. Sie wunderte sich über sein seltsames Benehmen letzte Nacht. Hoffentlich hatte er die Wahrheit gesagt – dass er keine unehrenhaften Absichten ihr gegenüber hatte. Aber warum hatte er sich dann die Zeit genommen, mit ihr zu sprechen – etwas, das er früher so gut wie nie getan hatte?
    Nathaniel, am anderen Ende der Halle, schloss sein Gebet mit dem üblichen Amen, nahm die Brille ab und steckte sie ein. Er betrachtete die versammelte Dienerschar, doch statt sie wie sonst zu entlassen, richtete er sich auf und begann: »Ich habe noch eine Ankündigung zu machen. Mir ist aufgefallen, dass Weihnachten und das Dreikönigsfest in den beiden letzten Jahren hier auf Fairbourne Hall kaum gefeiert wurden. Deshalb haben wir – Mr Hudson, Miss Upchurch und ich – beschlossen, dass es höchste Zeit für einen Dienstbotenball ist.«
    Das Küchenmädchen Jenny stieß einen Jubelschrei aus und schlug dann erschrocken die Hand vor den Mund. Craig boxte den Laufjungen Freddy, der neben ihm stand, in die Seite.
    Mr Upchurch gestattete sich ein kleines Lächeln. »Ich nehme an, der Plan findet Ihre

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