Die Magd von Fairbourne Hall
der Familie verspielte – Geld, das sie dringend für das Anwesen brauchten, doch er verbiss sich eine Zurechtweisung.
»Ich dachte, du wolltest uns etwas über Benton erzählen?«
»Darauf komme ich gleich. Nur Geduld.« Lewis trank sein Glas leer und bedeutete Arnold, ihm nachzuschenken. »Ich war in großzügiger Stimmung, weil ich endlich einmal gewonnen hatte, deshalb habe ich dem Anwalt ein paar Runden spendiert. Schimpf nicht – es war eine kluge Investition, wie sich herausgestellt hat.«
Nathaniel spürte, wie sich sein Kiefer versteifte. »Inwiefern?«
»Nun, er hatte schon ordentlich gebechert, als Sterling Benton hereinkam, aufgeblasen und aalglatt wie gewöhnlich, dieses Milchgesicht von einem Neffen auf den Fersen.«
Lewis nahm einen großen Schluck Burgunder. »Mein Freund wirft einen Blick auf das hochnäsige Paar, dann beugt er sich zu mir herüber und meint, er hätte ein paar ganz plausible Vermutungen, warum das Macy-Mädchen verschwunden ist.«
Jetzt war Lewis Nathaniels ungeteilte Aufmerksamkeit sicher.
Die Augen seines Bruders glitzerten. »Er deutete an, dass Miss Macy an ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag mit einem richtigen kleinen Vermögen rechnen kann. Sie wird eine Erbschaft machen.«
Helen zog die Brauen hoch. »Wirklich? Das wusste ich nicht.«
»Ich auch nicht«, sagte Lewis und drehte sich zu Nathaniel. »Hast du es gewusst?«
Nathaniel wich aus: »Sie hat davon nie ein Wort zu mir gesagt.«
So , dachte Nathaniel, das einstige Geheimnis des Erbes wird also allgemein bekannt . Er nahm an, dass Margarets Verschwinden den wenigen, die davon gewusst hatten, die Zungen gelockert hatte – wer auch immer sie waren.
Lewis erzählte weiter. »Auf alle Fälle rief ich Sterling Benton zu uns. Ich ignorierte die Tritte, die mein Begleiter mir unter dem Tisch versetzte, und fragte nach Miss Macy. Benton war ganz väterliche Sorge, aber ich sah, dass es nur blödes Geschwätz war. Da habe ich ihm gesagt, dass er sich keine Sorgen um sie zu machen brauche.«
Helens Brauen zogen sich zusammen. »Was? Aber wie …?«
Lewis grinste. »Ich glaube, ich habe eine ganz zarte Andeutung gemacht, dass ich wüsste, wo sie ist … und dass ich vorhabe, mit ihr durchzubrennen. Ich erinnere mich nicht mehr genau, weil ich mit dem Anwalt mithalten musste, was die Drinks betraf, muss ich leider gestehen.«
»Lewis …«, schalt Helen.
Lewis winkte ab, bevor die Gardinenpredigt begann. »Ich wette, dass ihm nicht das Geringste an dem Mädchen liegt, er will nur, dass das Geld in der Familie bleibt. Verdammich, aber ich bin wirklich in Versuchung, die Kleine aufzuspüren und selbst zu heiraten. Dann bräuchte ich nicht von der mageren Unterstützung zu leben, mit der unser guter Nate mich knebeln will …«
»Hör auf!«, zischte Nathaniel.
Lewis sah ihn mit hochgezogenen Brauen an. »Warum? Willst du etwa einen zweiten Versuch machen oder was?«
Helen legte Nathaniel eine Hand auf den Arm. Wenn sie nicht da gewesen wäre, hätte Nathaniel die Beherrschung verloren und seinen Bruder zum zweiten Mal verprügelt – das war ihm sonnenklar.
Stattdessen knirschte er nur mit den Zähnen und warnte ihn: »Du solltest Sterling Benton ernst nehmen, Lewis. Der Mann ist in einer verzweifelten Situation, in finanzieller Hinsicht. Es geht ihm noch viel schlimmer als uns. Man kann nie sagen, wozu er fähig ist, wenn er glaubt, dass du zwischen ihm und einem Vermögen stehst.«
Früh am nächsten Morgen machte Margaret sich an ihre Aufgaben im Wohnzimmer, froh, dass Fiona an der Reihe war, Wasser in die Schlafzimmer hinaufzubringen und die Nachttöpfe zu leeren. Als sie die Fensterläden öffnete, dachte sie daran, wie freundlich Nathaniel Upchurch zu ihr gewesen war, als sie vom Wagen gestürzt war, und an ihr Gespräch im Mondlicht auf dem Balkon. Sein Versprechen, sie zu verteidigen, wenn irgendjemand ihr zu nahe treten würde. Die intensiven, ernsten Blicke, mit denen er sie angesehen hatte und denen sie nicht hatte ausweichen können – sie hatte plötzlich kaum noch atmen können in seiner Gegenwart. Wie aus dem Nichts waren ihr Tränen in die Augen geschossen. Oh, wenn sie doch einen Mann wie Nathaniel Upchurch hätte, der sie beschützte! Der sie liebte.
Klick . Irgendwo in der Nähe ging eine Tür auf. Seltsam.
Ihr Pulsschlag beschleunigte sich. Sie schlich auf Zehenspitzen zur Schwelle des angrenzenden Wintergartens und spähte um den Türpfosten herum. Im Licht der Morgendämmerung, das
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