Die Magd von Fairbourne Hall
von ihr fort und ging in die Hocke, um die Furchen in der Straße zu betrachten, die groß genug waren, um eine Katze darin zu begraben.
»Ich gehöre einer Kommission an, die Reparaturen an dieser Straße beschlossen und Gelder dafür zur Verfügung gestellt hat. Leider entspricht der Fortschritt nicht unseren Erwartungen. Ich werde mit dem Stadtrat reden müssen.« Er stand auf. »Nora, du setzt dich nach vorn. Ich will nicht, dass du noch einmal runterfällst.«
Ihre Nerven funkten eine Warnung – zu nah ! »Es geht schon, Sir. Ich komme schon zurecht.«
»Bitte. Ich muss darauf bestehen.« Er deutete auf die vordere Bank, hoch über den großen Rädern der Kutsche.
Unbehaglich sagte sie: »Sir. Äh – ich weiß nicht, ob ich wirklich dort oben sitzen soll. Ich meine, wenn wir nach Fairbourne Hall kommen. Ich … lieber gehe ich den Rest des Weges zu Fuß.«
»Aber dein Knöchel.«
»Er ist in Ordnung, Sir, wirklich. Bitte.«
Er sah sie verständnisvoll an. »Es würde Anstoß bei den anderen erregen, wenn man sehen würde, wie du neben Mr Upchurch fährst, meinst du?«
»Ja, irgendwie schon.«
»Ich verstehe. Na gut. Aber pass auf deinen Knöchel auf.«
»Mach ich, Sir. Danke.«
Als er wieder auf den Wagen kletterte und losfuhr, überlegte Margaret, ob er zu Betty oder Fiona genauso freundlich gewesen wäre, wenn sie vom Wagen gefallen wären. Wahrscheinlich, dachte sie.
Aber eigentlich hoffte sie, dass er sich ihnen gegenüber anders verhalten hätte.
Als sie nach Fairbourne Hall kam und den Puder und das Rouge übergab, fragte Helen, wie die Erledigung verlaufen sei.
»Gut«, antwortete Margaret vage.
Helens Augen funkelten schelmisch. »Hat Mr Upchurch … Notiz von dir genommen?«
War das ihr Plan gewesen? »Nicht besonders. Aber er war sehr freundlich.«
Helen hob eine Braue. »Ach wirklich?«
Margaret fühlte, wie ihre Wangen unter Helens aufmerksamem Blick rot wurden, doch sie ging nicht weiter auf das Thema ein.
Ein paar Tage später saß Nathaniel in der Bibliothek und betrachtete Zeichnungen für eine geplante neue Siedlung von Arbeiter-Cottages, doch es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Seine Gedanken gingen auf Wanderschaft; er dachte noch einmal an die Ereignisse der letzten Wochen. Der Tanz mit Miss Macy auf dem Dienstbotenball. Wie er neben ihr auf dem Balkon stand und zu den Sternen aufblickte. Wie er mit ihr im Mondlicht durch die Arkade ging. Wie er sie in den Armen hielt …
Ein Klopfen weckte ihn aus seinen Träumen. Er blickte auf und hatte beinahe Schuldgefühle, als sei er bei etwas Unerlaubtem ertappt worden. Zu seiner Überraschung stand Robert Hudson auf der Schwelle.
»Hallo, Hudson. Ich habe Sie nicht so rasch zurückerwartet.«
»Haben Sie einen Moment Zeit, Sir?«
»Ja, natürlich.« Nathaniel richtete sich auf und räusperte sich. »Wie ist es gelaufen?«
»Gut, würde ich sagen.«
Nathaniel deutete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. »Was haben Sie herausgefunden?«
»Mehrere interessante Dinge.« Hudson setzte sich und zog ein kleines, in Leder gebundenes Notizbuch aus seiner Manteltasche. »Erstens: Sterling Benton steckt tatsächlich in finanziellen Schwierigkeiten. Er ist bis über beide Ohren verschuldet, hat mir ein auskunftsfreudiger Bankier erzählt.«
»Sie waren doch hoffentlich diskret bei Ihren Nachforschungen?«
»Sir.« Hudson hob das Kinn und zog die Mundwinkel herunter, gekränkt, weil Nathaniel überhaupt fragte.
Nathaniel winkte entschuldigend und bedeutete ihm, fortzufahren.
»Sterling Benton hat sich zu viel geliehen, zu viel ausgegeben und zu viel gespielt, und er hat keine Lust, sich einzuschränken. Ihm liegt offenbar viel daran, den Schein zu wahren.«
Nathaniel fühlte sich an Lewisʼ Lebensweise erinnert. »Reden Sie weiter.«
»Marcus Benton ist Sterlings Neffe und offenbar sein Erbe – vorausgesetzt, Sterlings Ehe mit der über vierzigjährigen Macy-Witwe bleibt ohne Nachkommen.« Er öffnete das lederne Notizbuch und überflog seine Aufzeichnungen. »Marcus ist dreiundzwanzig Jahre alt, der Sohn von Sterling Bentons jüngerem Bruder – einem Anwaltsgehilfen aus Greenwich. Anscheinend hatte Sterling seinen Neffen unterstützt, sodass dieser nach Oxford gehen konnte, wo er Jura studiert hat. Marcus hat im Moment keinen Beruf und lebt das Leben eines Gentleman, finanziell unterstützt von seinem großzügigen Onkel.«
»Diese Großzügigkeit wird bald ein Ende haben.«
Hudson nickte. »So scheint es. Marcus
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