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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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oben und hätte ihn beinahe umgerannt.
    »Gott sei Dank, Sir. Ich habe Sie gesucht.« Der junge Mann war so erregt und verwirrt, dass er sich nicht einmal entschuldigte, dass er mit ihm zusammengeprallt war.
    »Was ist passiert?«
    »Mr Lewis, Sir. Man hat auf ihn geschossen.«
    »Geschossen?« Nathaniels Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Oh Gott, nein. Bitte nicht.
    Helen hinter ihm schnappte nach Luft und schlug beide Hände vor den Mund.
    »Lebt er noch?«, fragte Nathaniel. »Wo ist er?«
    »Ja, Sir, er atmet. Sie haben ihn im Destillierraum hingelegt. Mr Hudson hat Clive nach dem Wundarzt geschickt.«
    Hoffentlich hatte der Pferdeknecht das schnellste Pferd genommen.
    Nathaniel rannte die Treppe hinunter, Helen war ihm dicht auf den Fersen.
    Kleine Gruppen aufgeregter Diener, die hinter vorgehaltenen Händen miteinander tuschelten, drückten sich an die Wand, um sie vorbeizulassen. Monsieur Fournier bekreuzigte sich. Nathaniel fand den metallischen Geruch von Blut, gemischt mit dem Duft von Zimt und Gebäck, widerlich.
    Im Destillierraum beugte sich Hudson über Lewis und drückte ihm ein Taschentuch auf die Brust. »Noch ein Tuch, bitte, Mrs Budgeon«, bat er, sogar in seiner Angst noch höflich.
    Lewis lag völlig reglos, mit schlaffen Armen und Beinen, auf dem Arbeitstisch. Sein Mund stand offen, sein Gesicht war unnatürlich grau.
    Als sie eintraten, blickte Hudson auf. »Sir. Miss Upchurch.«
    »Was ist passiert?«, fragte Nathaniel.
    »Ich weiß es nicht. Sein Kammerdiener und ein ortsansässiger Bauer, ein Mr Jones, haben ihn mit dem Wagen des Bauern gebracht. Sie haben irgendwas von einem Duell gesagt.«
    Nathaniel zuckte zusammen. »Wie schlimm ist es?«
    Hudson blickte wieder auf, wich jedoch Helens Blick, der fest auf ihn gerichtet war, aus. »Schlimm.«
    Aus der Nähe konnte Nathaniel sehen, dass sie Lewisʼ Jacke und Hemd aufgerissen hatten, um seinen Brustkorb freizulegen, der jedoch größtenteils von Hudsons großen Händen und dem blutgetränkten Tuch bedeckt war.
    Mrs Budgeon reichte Hudson ein sauberes Tuch. Hudson zögerte, bevor er der Haushälterin das beschmutzte Tuch gab, doch sie nahm es ihm gleichmütig aus der Hand und legte es in ein Becken.
    Hudson sagte zu ihr: »Sorgen Sie dafür, dass der Wundarzt ohne Verzögerung hierhergeführt wird.«
    Sie nickte und verließ das Zimmer. Erst jetzt sah Nathaniel den jungen Kammerdiener, der in einer Ecke des Destillierraums zusammengesunken war. Er war totenbleich und wirkte benommen, seine Krawatte war voller Blut. Ein stämmiges Mädchen hielt seine Hand.
    »Was kann ich tun?«, fragte Nathaniel.
    »Und ich?«, fügte Helen hinzu.
    Hudson prüfte das neue Tuch, sah, dass es sich schnell voll Blut saugte, und schaute sie an. »Beten Sie.«

    Nachdem drei Stunden vergangen waren, war der Wundarzt Mr White dagewesen und wieder gegangen. Er hatte die Kugel entfernt, die Wunde gereinigt, einen Verband angelegt und ihnen wenig Hoffnung gemacht.
    Sie brachten Lewis, der immer noch bewusstlos war, vorsichtig eine Treppe hinauf in die Bibliothek, die Mrs Budgeon in ein Krankenzimmer umfunktioniert hatte, während der Arzt mit Lewis beschäftigt war. Sie wagten nicht, ihn mehr als nötig zu bewegen und noch eine Treppe in sein Schlafzimmer hinaufzutragen. Der Wundarzt, blutbefleckt und erschöpft, meinte, er würde ihnen eine erfahrene Pflegerin schicken, obwohl Helen darauf bestand, die ganze Nacht bei ihrem Bruder zu bleiben.
    Mr White versprach, am Morgen zurückzukehren, und sagte, sie sollten ihn rufen lassen, wenn irgendeine Änderung einträte – wenngleich das Angebot mit wenig Begeisterung gemacht wurde. Würde Lewis überhaupt die Nacht überleben?, fragte sich Nathaniel bedrückt. Er und sein Bruder hatten sich nicht sehr nahegestanden, doch der Gedanke, ihn zu verlieren, verursachte ihm aufrichtigen Kummer.
    Nathaniel setzte sich neben Helen an Lewisʼ Bett. Er war hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, bei seinem Bruder zu bleiben und während seiner letzten Stunden auf Erden bei ihm zu sein, und dem Wunsch herauszufinden, was geschehen war und wer die Schuld daran trug. War Lewis der Herausforderer oder war er gefordert worden? Hatte er die Waffen gewählt, in diesem Fall offensichtlich Pistolen? Das war möglich, denn Lewis hatte nie gut mit dem Säbel umgehen können. Viel zu anstrengend, hatte er sich immer beschwert.
    Wer hatte ihm sekundiert – Saxby? Oder vielleicht sein Kammerdiener. Nathaniel dachte daran, wie er den

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