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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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jungen Mann unten kurz gesehen hatte. Er war ebenfalls ganz grau im Gesicht gewesen und hatte zutiefst erschüttert gewirkt. Nathaniel musste so schnell wie möglich mit ihm sprechen, doch zuerst musste er ihm die Möglichkeit geben, den schlimmsten Schock zu überwinden.
    Mrs Budgeon klopfte leise an die offene Tür. Nathaniel stand auf und ging durchs Zimmer zu ihr.
    »Entschuldigen Sie, Sir. Aber als wir Mr Upchurchs Kleidung für die Wäscherei zusammengesucht haben – das, was noch zu retten war, meine ich – fanden wir ein paar Sachen in seinen Taschen und dachten, Sie möchten sie vielleicht haben.«
    Sie reichte ihm ein Palisanderholz-Tablett. Den Dienstboten wurde beigebracht, dass sie ihrer Herrschaft kleinere Gegenstände nicht mit der Hand geben durften, um zufällige Berührungen zu vermeiden – eine Praxis, die unter diesen Umständen unglaublich sinnlos und lächerlich wirkte.
    Aus irgendeinem Grund hatte Nathaniel das Bedürfnis, seine Hand auszustrecken und sie auf ihre zu legen. »Danke, Mrs Budgeon. Für alles.«
    Sie schien bestürzt, wich aber nicht zurück. »Gern geschehen, Sir. Wir beten alle, dass Ihr Bruder wieder gesund wird.«
    Er dankte ihr nochmals, brachte Helen das Tablett und setzte sich wieder zu Lewis ans Krankenbett.
    Von dort sah er zu, wie Helen die Sachen mit Tränen in den Augen untersuchte: eine Taschenuhr, ein paar Münzen, ein langes blaues Band, ein zusammengefaltetes Papier, mit Blut befleckt. Helen reichte es ihm mit großen Augen. Nathaniel entfaltete es und las.
    Ich verlange Genugtuung, Mr Upchurch. Und zwar jetzt. Penenden Heath morgen um sechs Uhr dreißig.
    P.
    War das möglich? Wenn Preston es geschrieben hatte, galt dieser Brief dann wirklich Lewis oder war er an ihn gerichtet? Was konnte Abel Preston gegen Lewis haben? Die beiden Männer waren sich zwar höchstwahrscheinlich begegnet, als sie beide noch auf Barbados lebten, doch Nathaniel erinnerte sich an keinen Streit zwischen ihnen. Aus seinem Groll auf ihn, Nathaniel, hatte Preston keinen Hehl gemacht, doch er hatte ihn nie ein böses Wort gegen Lewis sagen hören.
    Nathaniel wurde übel. War die Kugel, die Lewis getroffen hatte, für ihn bestimmt gewesen?
    Nathaniel machte sich auf die Suche nach Lewisʼ Freund Saxby, doch er konnte ihn nirgends finden. Auch von den Dienern hatte ihn keiner gesehen. Er ging zurück in die Bibliothek. Der Pfarrer traf ein und betete mit ihnen an Lewisʼ Bett, flehte Gott an, ihn am Leben zu erhalten. Danach ließ Nathaniel seinen Bruder für eine Weile in den fähigen Händen seiner Schwester und der Pflegerin zurück.
    Er bat Hudson, ihm Lewisʼ Kammerdiener ins Morgenzimmer zu schicken, und ging im Raum auf und ab, bis der junge Mann klopfte.
    »Connor. Komm rein.«
    Der junge Mann trat ein und stand vor ihm, die Hände auf dem Rücken. Sein Gesicht unter dem roten Haar war blass, doch er hielt sich aufrecht und begegnete Nathaniels Blick ganz offen.
    »Ich will wissen, was passiert ist«, sagte Nathaniel. »Alles. Lass kein Detail aus. Du brauchst mich nicht zu schonen.«
    »Ja, Sir.« Der Adamsapfel des jungen Mannes hüpfte auf und ab. »Es war schrecklich …«
    Nathaniel unterbrach ihn. »Fang ganz am Anfang an. Es war die Rede von einem Duell. Hast du davon gewusst?«
    »Ich habe es erst heute Morgen erfahren.«
    »Hat es etwas damit zu tun, dass Lewis den Ball gestern Abend so früh verlassen hat?«
    Connor runzelte die Stirn. »Hat er das? Das wusste ich nicht, Sir. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit er sich für den Ball angekleidet hatte, bis er gegen drei Uhr früh in sein Zimmer gekommen ist. Er bat mich, ihn wenige Stunden später zu wecken – um sechs. Sie wissen, dass er nie gern früh aufgestanden ist, deshalb hat mich das überrascht, aber er hat mir nicht gesagt, warum, und ich habe auch nicht gefragt.«
    Natürlich nicht. Kein Diener würde je fragen. »Weiter.«
    »Als ich ihn aufweckte, bat er mich, ihm beim Ankleiden zu helfen und mich selbst zum Ausgehen fertig zu machen. Und er sagte, ich solle seine Duellpistolen mitnehmen.« Connor schluckte. »Ich habe gefragt, ob ich den Kutscher wecken und eine Kutsche kommen lassen sollte, aber er sagte, er würde reiten. Also weckte ich den Pferdeknecht und ließ zwei Pferde satteln.
    Ich fragte, ob wir länger fort sein würden und ich eine Tasche packen sollte, aber er sagte: ›Steck nur die Pistolen in die Satteltasche.‹« Sein Adamsapfel hob und senkte sich wieder. »Ich war sehr nervös, muss

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