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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Zuneigung zu ihm beträchtlich hatte steigen lassen. Jetzt wollte er selbst sie zu einem zweiten Tanz bitten. Sie sollte schließlich nicht auf ihrem eigenen Ball als Mauerblümchen enden.
    Er suchte sie unter den schwatzenden Matronen, die zusammen am Punschtisch saßen und sich fächelten, doch er sah sie nicht. Er suchte sie im angrenzenden Wohnzimmer, wo die Gentlemen um runde Kartentische saßen, doch er konnte sie auch dort nirgends entdecken. War sie vielleicht im Esszimmer und beaufsichtigte die letzten Vorbereitungen für das Essen, das um Mitternacht aufgetragen werden sollte? Das hätte sie doch ruhig Mrs Budgeon überlassen können.
    Von der Tanzfläche, wo die Paare sich zu einem Reel drehten und hüpften, hörte man ein lebhaftes »Hey!« Er ließ den Blick über die Tanzenden schweifen und sah mehrere Paare, die er gut kannte, ein paar weniger bekannte und einige maskierte.
    Plötzlich blieb sein Blick an einer Frau hängen. Da war sie! Du meine Güte! Er hätte beinahe seine eigene Schwester nicht erkannt. Was für ein Trottel er doch war! Aber in ihrem modischen Kleid, mit roten Wangen und lächelndem Mund, mit ihren kraftvollen Schritten und mit dem jugendlichen Partner an ihrer Seite hatte er sie für eine sehr viel jüngere Frau gehalten. Eine jüngere, schöne Frau. Womit hatte Margaret seine Schwester nur so verzaubert?
    Er blickte sich um. Dort an der Wand stand Robert Hudson. Anscheinend wirkte der Zauber auch bei ihm, denn sein Gesicht zeigte eine leidenschaftliche Sehnsucht, die Nathaniel sofort als unerwiderte Liebe erkannte. Diesen Blick – und dieses Gefühl – kannte er selbst nur allzu gut.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
25

    Unser Fest war außergewöhnlich gelungen. Im Vorfeld gab
es natürlich viele Schwierigkeiten, Aufregungen und Ärgernisse,
doch zuletzt war alles so, wie es sein sollte. Die Räume waren
mit Blumen geschmückt und sahen sehr hübsch aus.
    Jane Austen in einem Brief an ihre Schwester
    Der Ball hatte fast bis zwei Uhr morgens gedauert und Nathaniel hatte nicht mehr die Gelegenheit gehabt, Helen allein zu sprechen. Er hoffte, dass sie das Fest genossen hatte.
    Am nächsten Morgen kam sie spät zum Frühstück herunter und sah müde aus. Lewisʼ Freund Piers Saxby hatte in einem der Gästezimmer übernachtet, war jedoch noch nicht aufgetaucht; Lewis ebenso wenig.
    Nathaniel lächelte. »Da ist ja unsere Ballkönigin. Guten Morgen, Helen.«
    Sie warf ihm ein rasches, verlegenes Lächeln zu. »Ich war ganz schön in Fahrt, nicht wahr?«
    Sie goss sich eine Tasse Kaffee aus der Kanne auf der Anrichte ein. »Noch keine Spur von Mr Saxby heute Morgen?«
    »Noch nicht. Er hat fast bis zwei Uhr Karten gespielt und viel verloren, glaube ich.«
    »Und Lewis?«
    »Den habe ich seit dem frühen Abend gestern nicht mehr gesehen. Er ist verschwunden, kurz nachdem er mit dir getanzt hat.«
    »Ach, wirklich? Ich glaube, ich war zu sehr mit Tanzen beschäftigt, um irgendetwas mitzubekommen.«
    Er zwinkerte ihr zu. »Das habe ich gemerkt.«
    Arnold kam herein; er brachte die Morgenpost auf einem Silbertablett. Nathaniel nahm den Brief – festes Pergament, an ihn adressiert in auffälliger Handschrift. Er brach das Siegel auf und entfaltete den Brief. Er enthielt nur vier Zeilen.
    Die Truhʼ enthielt so wenig Geld
Wo mag der Rest wohl sein?
Tutʼs wirklich not, dass ich
Auf Fairbourne Hall erscheinʼ
Um zu zerstören deine Welt?
    Rasender Zorn packte ihn, doch gleichzeitig lief ihm ein Schauer über den Rücken, als er an Abel Prestons Drohung dachte. »Ich werde Sie zu finden wissen. Dann, wenn Sie es am wenigsten erwarten.«
    »Etwas Interessantes?«, fragte Helen.
    Er überlegte, ob er es ihr überhaupt sagen sollte, doch dann sagte er sich, dass sie eine erwachsene Frau war. »Eine Drohung von dem Mann, der mein Schiff überfallen hat. Auch noch gereimt. Anscheinend hat er gemerkt, dass er nicht unseren gesamten Gewinn erbeutet hat. Hier, lies …«
    Plötzlich gab es irgendwo im Haus einen Tumult – Türenknallen und Geschrei. Eilige Schritte und Rufe. Nathaniel und Helen rissen die Köpfe hoch und blickten sich an, dann sprangen sie beide gleichzeitig auf und stürzten zur Tür.
    »Bleib hier«, befahl er.
    »Nein.«
    Nathaniel lief in die Halle hinaus und versuchte die Ursache des Aufruhrs zu entdecken. Nichts. Lieber Gott im Himmel … mach, dass dieser Schuft nicht schon hier ist!
    Er lief zur Hintertreppe. Einer der Lakaien kam aus dem Souterrain durch den Anrichtraum nach

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