Die Magd von Fairbourne Hall
hoffte nur, dass nichts passiert war und dass es Lewis nicht schlechter ging. Sie beschloss, nach ihm zu sehen, sobald sie gegessen hatte.
Nachdem die höherrangigen Dienstboten in Mrs Budgeons Zimmer verschwunden waren, um dort ihr Dessert zu essen und ihren Port zu genießen, und die restliche Dienerschaft bei einem schlichten Brotpudding im Dienstbotenzimmer zurückgelassen hatten, entschuldigte sich Margaret. Das trug ihr einen erstaunten Blick von Fiona ein, die sehr wohl wusste, wie sehr Nora Süßes liebte.
»Soll ich deine Portion mitessen?«
»Bitte, gern.«
Margaret lief den Gang hinunter. Vor der Destillierkammer blieb sie kurz stehen. Als sie sah, dass sie leer war, ging sie die Treppe hinauf und durch die Halle zum Krankenzimmer.
Leise öffnete sie die Tür und drückte sie auf; dabei bot sich ihr nach und nach der Blick in die Bibliothek – das Feuer im Kamin, die Petroleumlampe, die mit kleiner Flamme auf dem Beistelltischchen brannte, neben den Blumen, die sie gebracht hatte, Lewisʼ lang hingestreckte Gestalt auf dem Bett, Connor, der über ihn gebeugt stand. Es war, wie sie gedacht hatte, er verzichtete auf sein Abendessen, um für seinen Herrn da zu sein.
Die Tür quietschte.
Connor fuhr herum, dabei fiel ihm etwas aus der Hand. »Verdammt, Nora, du hast mich zu Tode erschreckt.«
»Tut mir leid«, flüsterte sie. »Das wollte ich nicht. Ich wollte nur nach dir schauen.«
»Nach mir schauen?«
»Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du nicht zum Abendessen gekommen bist, und dachte, dass es Mr Upchurch vielleicht schlechter geht.«
Der Kammerdiener hob verstehend das Kinn, dann drehte er sich um und betrachtete Lewis. »Mir kommt es tatsächlich so vor, als ob es ihm schlechter geht. Ich habe mir Sorgen gemacht. Deshalb bin ich gekommen.«
»Wo ist Mrs Welch?«
»Sie hat sich entschuldigt wegen eines dringenden Bedürfnisses.«
»Oh.«
»Es war lieb vor dir, nach mir zu schauen, Nora, aber jetzt geh zurück zu deinem Abendessen.«
»Ich habe schon gegessen. Die anderen sind noch beim Pudding. Wenn du dich beeilst, können Hester und Jenny dir noch was geben.«
»Ich habe keinen Hunger.«
Beide standen verlegen nebeneinander und blickten auf Lewis Upchurch hinunter. Seine Gesichtsfarbe kam ihr ein wenig besser vor, aber das konnte Einbildung sein.
Margaret sagte: »Es ist rührend von dir, dass du dir solche Sorgen um ihn machst, Connor. Aber du solltest trotzdem etwas essen.«
Connor zuckte die Achseln. »Ich habe die Verantwortung für ihn, oder?«
Seine heisere Stimme zerriss ihr das Herz. Hatte sie je eine solche Treue bei einem Diener geweckt? Würde sie sie je wecken? Freundlich sagte sie: »Ich sage Hester, dass sie dein Essen im Ofen in der Destillierkammer warm stellen soll, ja?«
»Danke.«
Margaret wandte sich zum Gehen, doch dann zögerte sie. »Ich glaube, als ich dich erschreckt habe, hast du etwas fallen gelassen. Soll ich dir helfen, es zu suchen?«
Connor blickte auf Lewis hinunter. »Wirklich? Vielleicht etwas aus der Toilettentasche. Ich gucke danach, wenn du weg bist.«
»Ich helfe dir gern.«
»Danke. Aber soll ich wirklich Mr Upchurchs Bettdecke hochheben und danach suchen, während du danebenstehst?«
Sie wurde rot. »Du hast recht. Dann bis später.«
Nathaniel stand in seinem Schlafzimmer und blickte sehnsüchtig zu seinem Bett hinüber. Er war restlos erschöpft und hatte nur noch den Wunsch, sich auszuziehen, unter die Bettdecke zu kriechen und zu schlafen. Doch er fand keine Ruhe. Er musste zuerst noch einmal zu seinem Bruder und sich zu ihm setzen und beten. Er schlüpfte aus dem Zimmer und stieg leise die Treppe hinunter.
Auf dem Treppenabsatz blieb er stehen. Er sah eine Gestalt im Schatten, direkt vor dem Krankenzimmer. Einen Moment lang überfiel ihn Panik. Waren Saxby oder Preston gekommen, um ihren Anschlag zu Ende zu führen? Doch dann sah er, dass es eine Frau war. Ein Mädchen in einer Schürze, eine Haube auf dem dunklen Haar. Margaret. Sie hielt Nachtwache. Welch eine Hingabe. Sein Herz tat weh, als er es sah. Sie hatte behauptet, nichts mehr für Lewis zu empfinden, und er würde ihr so gern glauben.
Wenn er nur ignorieren könnte, was er sah.
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Sie bildeten eine kleine Detektiveinheit, die sie die Bow Street
Runners nannten. Es waren Bürger, Privatpersonen, die nicht
bezahlt wurden, aber Belohnungen annehmen durften.
John S. Dempsey, Introduction to Private Security
Am nächsten Tag kam Dr.
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