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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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sei Dank.«
    Er las weiter. Hielt inne. Blinzelte, dann las er die Worte ein zweites Mal. Fassungslos reichte er den Brief seiner Schwester.
    Helen saß einen Moment ganz still da. Sie runzelte die Stirn, dann sah sie ihn mit großen Augen an. »Du meine Güte! Ich wusste nicht, dass er so … Anscheinend haben der Aufstand, die Brutalität der Soldaten, die Aussagen der Sklaven ihn zutiefst erschüttert …«
    »Schreibt er wirklich, was ich gelesen zu haben meine?«
    Sie nickte langsam. »Ich glaube, ja. Er schreibt … er schreibt, du hattest recht, Nathaniel. Und er schwört, dass er dein Vorhaben, unsere Familie aus jeglicher Verstrickung in die Sklaverei zu lösen, in die Tat umsetzen will.«
    Nathaniel atmete tief auf. »Ich hatte das Gefühl, ich könnte meinen Augen nicht trauen.«
    Sein Herz jubelte. Hier saß er mit seiner Schwester und seinem Freund und wusste, dass sein Vater und sein Bruder in Sicherheit waren. Und mit einem Mal hatte er das dringende Bedürfnis, einen weiteren Menschen zu sehen, der ihm lieb und teuer war.

    Margaret staubte den Schreibtisch in Nathaniels Schlafzimmer ab, sorgfältig darauf bedacht, weder die Lampe noch sonst irgendetwas von seinen Sachen kaputt zu machen. Da ging hinter ihr die Tür auf. Sie drehte sich erschrocken um. Es war Nathaniel.
    Sie trat einen Schritt zurück, betroffen über den Ausdruck in seinen Augen.
    Er trat einen Schritt vor.
    »Was ist?«, fragte sie, den Federwisch vor sich haltend wie einen Säbel.
    Er kam weiter auf sie zu, den Blick fest auf sie gerichtet. »Wenn ich dich sehe, muss ich an französische Pralinen denken.«
    Sie schluckte und trat noch einen Schritt zurück.
    »Wenn man herausfinden will, womit sie gefüllt sind, muss man zuerst die seltsame Verpackung entfernen.«
    Das seltsame Leuchten in seinen Augen lähmte und erschreckte sie. Sie wollte weglaufen, sie wollte bleiben. Ihr Körper, ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, ihre Gedanken überschlugen sich, sie konnte sich nicht mehr bewegen. Wie ein Hase, den der Fuchs in die Ecke getrieben hat, um sich auf ihn zu stürzen, konnte sie ihn nur anstarren, mit weit offenen Augen. Wie festgefroren.
    Jetzt war er nur noch einen Schritt von ihr entfernt.
    Er hob beide Hände an ihr Gesicht. Sie beugte sich zurück, um seinem Griff auszuweichen, doch dabei stieß ihr Kopf gegen die Wand.
    Er berührte nicht ihr Gesicht, sondern ihre Brille, hob sie ihr sanft über die Ohren und von der Nase. »Die brauchst du doch gar nicht, oder?«, murmelte er.
    »Doch, wirklich«, flüsterte sie, aber er nahm sie ihr trotzdem ab und legte sie auf den Schreibtisch.
    Dann sah er ihr ins Gesicht. Sein Blick war viel zu eindringlich, um angenehm zu sein.
    Sie fühlte sich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, den Blick abzuwenden, und dem unwiderstehlichen Bedürfnis, in diesen wilden, leidenschaftlichen Augen zu versinken.
    Er neigte den Kopf und sah sie an. »Ich hoffe, du hältst mich nicht für ungehobelt, weil ich es sage, aber du hast da etwas im Gesicht.« Er zog sein Taschentuch heraus, tauchte es in den Wasserkrug und kam damit auf sie zu. Sie bog den Kopf zurück, doch er nahm ihr Kinn in seine langen Finger, sanft und doch fest, und wischte zuerst die eine, dann die andere Augenbraue ab.
    »Etwas Ruß vielleicht«, sagte er und warf das Taschentuch beiseite. »Von deiner Arbeit mit den Kaminrosten, zweifellos.«
    »Ich …«, begann sie zögernd, konnte jedoch nicht weitersprechen, weil er jetzt mit beiden Händen ihre Haut berührte. Seine Fingerspitzen glitten über ihre Wangen und ihr Kinn und umfassten ihr Gesicht wie eine Schale, während seine Daumen die Bögen ihrer Augenbrauen nachzogen, deren feine Härchen unter seiner Berührung prickelnd zum Leben erwachten.
    Ihr Herz klopfte heftig. Er wusste es. Er musste es wissen. War er nicht überrascht, blonde Brauen unter der dunklen Farbe vorzufinden? Er wirkte nicht so. Auf seinem Gesicht spiegelten sich Gefühle wie Blitze, die über den Himmel flogen; sie sah sie hinter seinen Augen aufleuchten. »Und diese Haube steht dir überhaupt nicht. Es tut mir leid, wenn ich das so ungalant sage, aber es ist so. Ich darf doch?«
    Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Ein Zittern durchlief sie – Vorahnung, Furcht, Hoffnung. Wenn er es nicht wusste, wenn er ihr einfach die Brille abgenommen hatte, um ihr Gesicht deutlicher zu sehen, um es leichter zu haben – ihre Brust schmerzte, wenn sie es nur dachte: um es leichter zu haben,

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