Die Magd von Fairbourne Hall
die Stirn. »Natürlich nicht!«
» Kirchgänge und Weihnachten und Ostern bei Onkel Townsend rechne ich nicht mit!«
Helen wurde rot. »Irgendwer muss schließlich zu Hause bleiben und sich um alles kümmern. Lewis hat mich nicht gedrängt, Besuche zu machen; er versteht mich.«
Während Nathaniel Helen Fisch in Garnelensoße auflegte, betrachtete er wieder das Abendkleid, das er jetzt schon mehrmals an ihr gesehen hatte. Er wartete, bis der Lakai die Suppenterrine abgeräumt und durch eine Platte mit Lammkoteletts ersetzt hatte, und sagte dann: »Ich nehme an, du hast dir in letzter Zeit auch keine neuen Kleider angeschafft?«
Sie trank einen Schluck Wein. »Wozu brauche ich Kleider? Mamas Zofe hat ein paar von meinen Kleidern umgearbeitet, bevor sie gegangen ist, sodass sie gar nicht abgetragen aussehen. Solltest du nicht froh sein, dass ich so sparsam bin?«
»Wir sind nicht so arm, dass du dich nicht gut kleiden kannst, Helen. Oder hin und wieder eine Veranstaltung besuchen. Und ich garantiere dir, Lewis ist, was die Mode betrifft, auf dem neuesten Stand und hat die gesamte Saison über nicht eine einzige Party verpasst.«
Sie schüttelte den Kopf. »Sag nichts gegen Lewis, Nathaniel. Das möchte ich nicht hören.«
Nathaniel holte tief Luft. »Es geht mir nicht darum, Lewis schlecht zumachen, ich wollte lediglich meiner Sorge um dich Ausdruck verleihen. Ich kann nicht mit ansehen, wie du hier sozusagen in der Falle sitzt. Du hast ja gar kein Leben mehr.«
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Verstehst du denn nicht – wenigstens ansatzweise –, wie ich mich fühle? Meine Chance auf ein glückliches Leben wurde mir gestohlen.«
Doch, das sehe und verstehe ich , dachte Nathaniel, gab es jedoch nicht zu. »Dein Verlust tut mir sehr leid, Helen. Wirklich. Doch das ist jetzt Jahre her. Willst du denn dein ganzes Leben quasi als Witwe verbringen?«
»Warum nicht?« Helens Augen sprühten Blitze. »Ich habe kein Interesse an frivolen Unternehmungen und auch keine Lust, ein Interesse an anderen Männern vorzutäuschen, das ich nicht empfinde! Ich bin … ich bin eine alte Jungfer. Kannst du dir denn nicht vorstellen, was die Leute sagen würden, wenn ich nach dieser langen Zeit wieder auf einem Ball auftauchen würde? ›Merkt sie denn nicht, dass sie zu alt ist?‹, würden sie sagen. ›Wofür hält sie sich denn, für eine Debütantin?‹«
»Wenn du glaubst, dass du nach der langen Zeit der Hauptgesprächsgegenstand sein wirst, überschätzt du dich.«
Helen blieb der Mund offen stehen. »Wie hässlich von dir, das zu sagen!«
»Ich meinte nicht …« Er verzog das Gesicht. »Warum bist du entschlossen, mir jedes Wort im Mund herumzudrehen? Ich wollte doch nur sagen, dass du dir viel zu viele Gedanken machst. Du bist längst nicht mehr Gegenstand der Gerüchteküche.«
Sie zuckte zusammen. »Du hoffst immer noch, mich verheiraten zu können, um mich … loszuwerden, oder?«
»Natürlich nicht, Helen. Ich habe ja nicht gesagt, dass du auf Männerfang gehen sollst. Aber kannst du nicht ein bisschen Umgang mit anderen Frauen pflegen?«
»Und was soll ich tun? Karten spielen? Klatschen? Ich mag beides nicht.«
»Aber es ist nicht gut für dich, wenn du so abgeschieden lebst.«
»Woher willst du das wissen? Entschuldige, Nathaniel, aber woher willst du das wissen? Du warst zwei Jahre fort, ohne auch nur ein einziges Mal an mein Wohlergehen zu denken. Woher die plötzliche Fürsorge?«
»Das ist ungerecht, Helen. Du weißt, dass Vater mich nach Barbados beordert hat, als Lewis zurückkommen wollte. Ich weiß, dass ich kaum geschrieben habe, aber ich hatte wirklich alle Hände voll mit der Plantage zu tun.«
Sie hob eine Braue. »Alle Hände voll?« Sie lehnte sich zurück; die haselnussbraunen Augen sahen ihn misstrauisch an. »Hast du denn die ganze Zeit über gar keine interessanten jungen Damen getroffen?«
Er holte tief Luft. »Nein. Na gut, eine.«
»Ach?«
»Ava DeSante. Ihrem Vater gehört eine benachbarte Plantage. Sie ist perfekt – intelligent, schön …«
»Aber?«
»Aber sie begreift meine Einwände gegen die Sklaverei nicht.«
Helen blinzelte. »Das tut mir leid zu hören, aber ehrlich – überrascht dich das? Meiner Ansicht nach sind die Sklaven das Herzblut der Plantagen. Keine Sklaven, kein Profit – oder jedenfalls sehr viel weniger Profit.«
Nathaniel lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Ja, wie auch Vater nie müde wird, mir zu sagen.«
Seine Schwester
Weitere Kostenlose Bücher