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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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älterer Bruder.«
    Margaret hatte Lewis Upchurch schon früher gesehen, doch er hatte sie nie beachtet. Deshalb genoss sie jetzt zwar den Anblick, empfand jedoch weiter nichts dabei – abgesehen von der Überraschung, ihn hier zu sehen.
    Sie wandte sich um und hielt stattdessen Ausschau nach Nathaniel Upchurch. Er erblickte sie im gleichen Moment und kam quer durch den Ballsaal auf sie zu, ein schüchternes Lächeln im bebrillten Gesicht.
    Sie trat ein Stückchen von den anderen Damen fort, um mit ihm zu reden. »Guten Abend, Mr Upchurch. Ich sehe gerade, dass Ihr Bruder wieder da ist. Ich erinnere mich gar nicht, dass Sie erwähnt haben, dass er zurückkommen wollte.«
    Nathaniel verzog das Gesicht. »Das liegt daran, dass ich es nicht wusste. Sieht so aus, als hätte Lewis sich gelangweilt und ohne die Erlaubnis meines Vaters beschlossen, nach London zurückzukehren.«
    »Das tut mir leid zu hören.«
    »Mir auch.« Er blickte hinüber zu den Damen und Herren, die Lewis umringten, begierig, ihn zu begrüßen. »Allerdings sind wir beide die Einzigen, die so empfinden.«
    Danach tanzten Nathaniel und Margaret zwei Tänze zusammen; dann führte er sie zum Punschtisch, um ihr ein Glas Ratafia zu holen.
    Plötzlich tauchte Lewis neben ihm auf. »Hallo Nate. Du könntest mich mal diesem lieblichen Geschöpf vorstellen, das du schon die ganze Zeit für dich allein beanspruchst.«
    Nathaniel zögerte, dann tat er ihm den Gefallen. »Natürlich. Miss Margaret Macy, mein Bruder, Lewis Upchurch.«
    »Aber wir sind uns schon begegnet, Mr Upchurch«, sagte Margaret. »Es ist allerdings schon über ein Jahr her. Ich erwarte nicht, dass Sie sich …«
    »Das kann nicht sein«, protestierte Lewis. »An ein so exquisites Gesicht wie das Ihre würde ich mich erinnern. Schnell, sagen Sie, dass Sie mit mir tanzen werden.«
    Niemals hatte Lewis Upchurch sie mit solcher Bewunderung, einer solchen Intensität in seinen warmen braunen Augen angesehen. Es war, als sähe er sie zum ersten Mal. Vielleicht war es ja auch so. Vielleicht hatte er sie nie richtig wahrgenommen inmitten all der anderen Frauen, die ihn umschwärmten wie gackernde Hennen.
    Verstört und hingerissen von seinem Charme und seinen Schmeicheleien zögerte sie: »Oh … ja, natürlich. Wenn Sie möchten.«
    Es war nur ein Tanz, sagte sie sich. Sie war nicht Nathaniels persönlicher Besitz und es war auch nicht schicklich, wenn sie beide mehr als zweimal am gleichen Abend miteinander tanzten. Sie waren schließlich nicht verlobt.
    Dennoch entging ihr die Wachsamkeit nicht, die plötzlich in Na­thaniels Augen trat.
    Margaret tanzte an diesem Abend zweimal mit Lewis und auf dem nächsten Ball wieder und in der darauffolgenden Woche ließ sie sich von ihm statt von Nathaniel zum Essen ausführen.
    Lewis sieht besser aus, ist ein besserer Tänzer, er ist so viel selbstsicherer und aufregender, rechtfertigte sie sich vor sich selbst, überwältigt von der erstaunlichen Tatsache, dass der Mann, den alle Frauen wollten, ausgerechnet sie wollte.
    Seufzend drehte sie sich in ihrem schmalen Bett im Dachgeschoss um und fragte sich zum tausendsten Mal, warum sein Interesse an ihr wohl so plötzlich erloschen war.

    Am Morgen, als die Dienerschaft sich zur Andacht versammelte, erschien Lewis Upchurch zum ersten Mal ebenfalls in der Halle. Er stand zwischen seinem Bruder und seiner Schwester. Lewis, hatte Hester Margaret erzählt, würde am Nachmittag nach London zurückkehren. Er hatte nur ein paar Tage auf Fairbourne Hall verbracht, aber er würde bald wiederkommen. Letzteres ließ Hesters Augen leuchten und zauberte Grübchen in ihre Wangen.
    Nathaniel hatte seine Bibel aufgeschlagen, doch jetzt zögerte er, dann wandte er sich an seinen Bruder und bot sie ihm an. Doch Lewis winkte ab und bedeutete ihm fortzufahren.
    Nathaniel las einen kurzen Bibeltext und betete. Margaret gefiel es, dass er das Gebet nicht jeden Morgen einfach ablas, sondern frei sprach, Worte, die ihm in diesem Augenblick kamen; man merkte es daran, wie er manchmal das Gesicht verzog, Pausen machte, sich verhaspelte und von vorn anfing. Mr Arnold meinte, er sei ein armseliger Geistlicher. Doch Nathaniels natürliche Schlichtheit beim Gebet, eine Ungezwungenheit, die er sonst nie zu besitzen schien, erinnerte Margaret an ihren Vater – der allerdings ebenfalls von manchen Leuten als schlechter Geistlicher bezeichnet worden war. Aber nicht von ihr.
    Als Mr Upchurch den Kopf hob, um die Dienerschaft zu

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