Die Magd von Fairbourne Hall
zu essen und Unterhaltung. Willst du nicht mitkommen?«
»Danke, aber ich bleibe lieber hier und ruhe mich mal richtig aus. Vielleicht lese ich ein bisschen.«
»Aber es ist so ein schöner Tag.«
Margaret drehte sich um und sah sie an. »Dann gehe ich später noch ein bisschen spazieren. Geht ihr nur. Und amüsiert euch gut!«
Betty zuckte die Achseln. »Na gut. Ich komme heute Abend noch hoch und schnüre dir dein Korsett auf, bevor ich ins Bett gehe.« Sie zögerte. »Wenn du deine Meinung änderst, wir sind im Fox and Goose, eine halbe Meile die Straße hinauf.«
»Danke.«
Margaret wartete, bis Betty die Tür wieder geschlossen hatte und es ruhig auf dem Flur war, dann stand sie auf und trat an ihr geöffnetes Fenster. Sie konnte nichts sehen, doch in der Ferne hörte sie Lachen, Rufe und Räderrollen, als die anderen sich jeweils zu ihren eigenen Idealen von Spaß und Entspannung begaben.
Margaret seufzte.
Warum tat es so weh? Was scherte es sie überhaupt? Sie hatte keine Zeit mehr mit der Dienerschaft verbringen wollen, seit sie ein kleines Mädchen war. Warum sollte sie es jetzt wollen? Sie war einfach nur einsam, weil sie ihre Freunde und ihre Familie vermisste, das war alles. Zum hundertsten Mal wünschte sie sich, ihrer Mutter oder ihrer Schwester schreiben zu können, doch ein Poststempel von Maidstone würde ihren Aufenthaltsort verraten.
Margaret verließ das Zimmer und ging den Flur entlang, auf dem es jetzt ganz still war. Mehrere Türen standen offen; sie hatten keine Schlösser. Das Zimmer eines Dienstboten des gleichen Geschlechts zu betreten war nicht verboten. Die Räume gehörten schließlich nicht ihren Bewohnern, sondern ihren Arbeitgebern, wie alles andere auch. Betty hatte Nora gesagt, dass sie als das Hausmädchen mit dem niedrigsten Rang wahrscheinlich bald die Aufgabe erhalten würde, die Zimmer der Dienstboten zu putzen. Anscheinend hatten die Menschen, die irgendwo in Stellung waren, keine Privatsphäre – etwas, das Margaret nicht bedacht hatte, als sie sich für eine Perücke entschied.
An der Schwelle von Bettys Tür blieb sie stehen. Es war so ordentlich wie immer. Auf dem Waschtisch lag nichts weiter als eine Haarbürste und ihre wöchentliche Seifenzuteilung. Auch das Nachttischchen war leer.
Dann ging sie in Fionas Zimmer. Es war kleiner als Bettys, aber genauso aufgeräumt. Auf einem schäbigen Stuhl, der ans Fenster gezogen war, stand ein Korb mit Strickwolle und Nadeln und auf dem Armsessel lag ein abgegriffenes Exemplar von Pamela . Margaret lächelte. Pamela war eine altmodische Geschichte von einem tugendhaften Mädchen, das standhaft sämtliche Versuche ihres Herrn, sie zu verführen, abwehrte, bis er sie schließlich heiratete. Kein Wunder, dass ein Mädchen wie Fiona solche Geschichten liebte. Allerdings war sie etwas überrascht, dass Fiona lesen konnte. Und es auch tat.
Schließlich regte sich ihr Gewissen, weil sie hier herumspionierte. Sie verließ das Zimmer und ging die vielen Stufen in die Küche hinunter in der Hoffnung, dort etwas Essbares zu finden. Als sie die Tür öffnete, sah sie Monsieur Fournier am Arbeitstisch sitzen, eine Feder in der Hand und ein Tintenfass neben sich, über einen Brief gebeugt.
» Bonjour, Monsieur . Ich dachte, dass alle fort seien.«
»Nora.« Er richtete sich auf. »Du wolltest wohl etwas aus meiner Küche stehlen?«
»Ach ja, bitte.« Sie lächelte.
Er sah sie unter seinen dichten, buschigen schwarzen Brauen an. Einen Moment dachte sie, dass er tatsächlich ärgerlich sei. Dann schüttelte er den Kopf und lächelte sie schief an. »Na gut, ma petite . Aber es bleibt unser Geheimnis, non ?«
Er stand auf und wuselte kurz herum, dann stellte er ein Auflaufförmchen vor sie hin und legte einen Löffel daneben. »Bitte. Ich mache das mit Ostindien-Zucker. Ohne Sklavenarbeit, weißt du. Mr Upchurch besteht darauf, obwohl es teurer ist. So. Wir essen das also jetzt im Namen der Forschung, oui ?«
Margaret nickte und bohrte ihren Löffel durch eine dicke Schicht karamellisierten Zuckers in den cremigen Eierrahm und die Lage dunkle Schokolade auf dem Boden des Förmchens. Sie schob sich die drei Schichten, die sich jetzt auf ihrem Löffel befanden, in den Mund, schloss genießerisch die Augen und schmeckte den köstlichen, bittersüßen Kuss auf der Zunge.
»Oh Monsieur. Ich glaube, ich habe mich verliebt.«
Er lächelte zufrieden und griff wieder nach seiner Feder.
Sie fragte sich, wie er es schaffte, so dünn zu
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