Die Magd von Fairbourne Hall
dem Treppenwischen und dem Leeren von Nachttöpfen!
Sie brachte die Blumen in den Destillierraum, wo Hester, wie sie wusste, die Gefäße und Geräte hatte, die sie für ihr Vorhaben brauchte.
Hester freute sich, dass sie kam, und hieß sie in dem sonnigen, warmen Raum willkommen.
Für Helens Frisiertisch wählte Margaret eine blaue Porzellanvase, die sie mit einem niedrigen Arrangement blassroter Rosen, tiefrosa Astern, blauer Kornblumen und eleganter weißer Klematis füllte, zwischen die sie ein paar anmutige Ranken steckte. Für die Halle entschied sie sich für eine vergoldete Schale, die sie mit goldenen Chrysanthemen, Gartenphlox, purpurnen Astern, Eisenkraut und ein wenig grünem Laub schmückte. Sie genoss jeden Handgriff.
»Du hast ja wirklich eine Begabung dafür, Nora!«, lobte Hester sie, was sie über Gebühr freute.
Margaret brachte die erste Vase hinauf zu Helen Upchurch. Ihr Zimmer war schön hell und ganz in Blau und Weiß gehalten. Sie stellte die Blumen auf den Frisiertisch und rückte die hübsche kleine Sammlung Porzellanvögel zurecht, die sie schmückte. Auf die andere Seite der Vase stellte sie das Miniaturporträt, das zwischen der Sammlung stand. Dann trat sie zurück und bewunderte ihr Werk. Es war eine deutliche Verbesserung.
Plötzlich weckte das kleine Porträt ihre Aufmerksamkeit. Sie nahm es noch einmal in die Hand und betrachtete es genauer. War das der Mann, den Helen zu heiraten gehofft hatte? Ein außergewöhnlich gut aussehender Mann, wenn der Maler seine Züge wahrheitsgetreu wiedergegeben hatte. Wie gern hätte sie wieder einmal einen Pinsel in die Hand genommen! Es war so lange her.
Helens Stimme erschreckte sie. »Er war schön, nicht wahr?«
Margaret stellte das Bildchen schnell wieder hin, erschrocken und verlegen nicht nur, weil sie beim Herumstöbern erwischt worden war, sondern auch, weil sie plötzlich mit Nathaniels Schwester allein war.
Sie riskierte einen Blick über die Schulter und war erleichtert, dass Helens ganze Aufmerksamkeit auf das Porträt gerichtet schien.
»Ja, Miss«, antwortete sie mit starkem Akzent. »Es tut mir leid, Miss …«
Helen winkte abwehrend. Sie trat zu ihr, nahm mit einem Ausdruck, der an Ehrfurcht grenzte, die Miniatur in die Hand und betrachtete das Gesicht. Ihre Augen waren verträumt und schmerzerfüllt zugleich.
Margaret machte einen unbeholfenen Knicks und schlüpfte rasch aus dem Zimmer.
An diesem Abend saß Margaret nach dem Abendessen noch ein Weilchen neben Hester im Dienstbotenzimmer und genoss die Kameradschaft mit den anderen und die Gelegenheit, sich nach einem langen, arbeitsamen Tag ein wenig auszuruhen. Alle um sie herum hörten amüsiert Connor zu, der sie mit Geschichten über seine fünf Brüder und seine jüngere Schwester unterhielt.
»Alle genauso rothaarig wie er«, flüsterte Hester Margaret ins Ohr.
Connor sagte gerade: »Das erste Mal, als ich als Kammerdiener in meinen neuen Kleidern nach Hause kam, kam niemand an die Tür. Ich stand vor meinem Zuhause und keiner reagierte auf mein Klopfen! Später stellte sich heraus, dass meine kleine Schwester einen ›feinen Gentleman‹ die Straße hinaufkommen gesehen hatte, zu meinen Brüdern gelaufen war und ihnen erzählt hatte, der Gerichtsvollzieher käme! Ich ging ums Haus herum zum Hintereingang und fand sie allesamt im Holzschuppen zusammengekauert, wo sie sich vor ihrem eigenen Bruder versteckten!«
Alle Anwesenden kicherten und grinsten sich an und Connor lächelte sein strahlendes Lächeln. Margaret konnte verstehen, warum Hester dem jungen Mann rettungslos verfallen war – wie im übrigen alle Hausmädchen.
Lewis hatte immer die gleiche Wirkung auf Frauen gehabt, junge wie alte.
Irgendwann ging Margaret hinauf in ihr Kämmerchen. Während sie sich bettfertig machte, dachte sie über Lewis nach. Sie erinnerte sich an das erste Mal, dass sie ihn nach seiner Rückkehr von Barbados gesehen hatte, vor über zwei Jahren – und an die Wirkung, die er auf sie gehabt hatte …
Aufmerksam beobachtete Margaret den hochgewachsenen, dunkelhaarigen Mann, der mit einem solchen Selbstvertrauen, einer solchen Präsenz durch den Ballsaal schritt, dass alle aufblickten und zu ihm hinsahen. Sein geradezu atemberaubend gutes Aussehen sorgte dafür, dass sie die Blicke nicht mehr von ihm abwenden konnten.
»Wer ist das?«, hauchte eine Debütantin neben ihr.
Margarets Freundin Emily Lathrop folgte ihrem Blick. »Das ist Lewis Upchurch, Nathaniel Upchurchs
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